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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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Summens, sich auch bei den Spöttern einzunisten, und bald schon summten die Dorfbewohner Abraham Mandelbaums Freudenlied von ganzem Herzen mit. Und die Veilchen hatten es an sich, auch dann, wenn sie augenzwinkernd überreicht wurden, ihren Duft im Haus zu verbreiten, und die Dorfleute dankten Abraham Mandelbaum im Stillen, dass er sie daran erinnert hatte. Doch als Abraham Mandelbaum an diesem Abend aus dem Haus stürzte und »Rachel« brüllte, war das Summen verschwunden und von den Veilchen fehlte jede Spur. Eine wilde, archaische Grimasse trat auf das Gesicht des Schächters, und die Dorfbewohner zauderten auf ihren Türschwellen. Erst als Seev Feinbergs Ruf ertönte, verflog das Zaudern. Nicht wegen des Ausspruchs selbst, der sehr lakonisch ausfiel, sondern wegen dessen Sprecher. Wenn Feinberg es wagte, sein Haus zu verlassen und sich Abraham Mandelbaum anzuschließen, wie sollten es dann nicht alle Männer wagen?
    Sie umrundeten grüppchenweise die Moschawa, fanden jedoch keine Spur von Rachel Mandelbaum. Unterwegs hielten sie nach Jakob Markowitz Ausschau, vielleicht hatte der Wächter was gesehen, aber der war ebenfalls verschwunden. Manche tauschten ihre Sorge um Rachel gegen ihren Groll auf Jakob Markowitz und fauchten: »Der ist mir ja ein schöner Wächter«, verstummten aber sofort, wenn sie Seev Feinberg begegneten. Schließlich erreichten sie den Johannisbrotbaum. Beinah hätten sie Rachel Mandelbaum und Jakob Markowitz, die vor Erschöpfung schliefen, gar nicht gesehen, aber Markowitz’ kleine Glatze leuchtete hell genug im Mondschein, dass Seev Feinberg sie entdeckte und »Dorthin!« rief.
    Abraham Mandelbaum rannte los, die anderen ihm nach. Als der Suchtrupp das Baby in Jakob Markowitz’ Armen schlummern sah und Rachel Mandelbaum mit leeren Händen daneben, war er verwirrt. Abraham Mandelbaum kniete neben Rachel nieder und brach in Tränen aus. Rachel Mandelbaum wachte auf, blickte in das vor Anstrengung und Tränen gerötete Gesicht und fragte sich, ob das Baby denn so schnell gewachsen war, dass es schon haargenau so aussah wie Abraham Mandelbaum. Die Dorfbewohner schreckten verlegen vor der Szene zurück, aber auch als sie zurücktraten, auch als sie sich notgedrungen auf den Heimweg machten, hörten sie die angstvollen Schreie des Schächters: »Ich dachte, du wärst gegangen. Zum Hafen. Nach Europa. Wärst weggegangen.« Rachel Mandelbaum schloss wieder die Augen und flüsterte: »Still, still.« Still zu Abraham Mandelbaum und seiner Angst, still zu dem Baby, das ihm so ähnlich sah und nun aufwachte und wieder weinte, still zu den Dorfbewohnern, die in der Ferne tuschelten. Wenn alle mal still wären, könnte sie vielleicht wieder das blondhaarige und blauäugige kleine Mädchen lachen hören, das sie neun Monate im Schoß ihrer Fantasie getragen hatte und das nun nicht mehr war.
    Jakob Markowitz wusste, dass er nicht mehr gebraucht wurde. Seine Beine schmerzten vom langen Knien neben Rachel Mandelbaum, und seine Finger waren noch steif von ihrem festen Griff. Trotzdem freute er sich, denn in dem Hemd, das er in Händen hielt, weinte ein Baby, dem er selbst auf die Welt verholfen hatte. Nie war er innerlich so erfüllt gewesen. Seev Feinberg kniete neben ihm nieder, legte ihm die Hand auf die nackte Schulter. »Du hast heute eine Großtat vollbracht.« Jakob Markowitz sah seinen Freund an, und die Tränen stiegen ihm in die Augen. »Na, ich bitte dich, Markowitz, hier wird schon genug geweint. Komm. Leg dieses Bündel neben Rachel – es sei denn, du willst dir das auch noch aneignen – und lass uns gehen. Ich bin hungrig.«
    Sie gingen Richtung Moschawa, und die Grillen zirpten ihnen ein Freudenlied. Seev Feinberg hörte gar nicht wieder auf, Markowitz’ Heldentum zu loben. »Nur wenige Männer können das durchhalten, musst du wissen. Ich beispielsweise bin fähig, notfalls mit bloßen Händen einen Menschen umzubringen, aber eine Vagina in diesem Zustand zu sehen – da würde ich schlappmachen.« Jakob Markowitz speicherte die Worte in seinem Gedächtnis, als Wegverpflegung, wie einer, der noch auf einem Stück Honigwabe herumkaut, deren Süße er längst ausgelutscht hat. Vor Seev Feinbergs Haus blieben sie stehen. Feinberg trat unbehaglich auf der Stelle, und Jakob Markowitz dachte sich, sein Freund wirke zum ersten Mal, seit er ihn kannte, verlegen.
    »Ich kann dich nicht reinlassen, Markowitz. Ich hab dir gesagt, ich würde es nicht tun, bis du Bella freigibst, und das habe ich

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