Eine Nacht, Markowitz
Markowitz dachte ein paar Minuten über seine Worte nach und erhob sich dann seufzend. »Gehen wir also.«
Fortan machten Jakob und Bella Markowitz regelmäßig einen Abendspaziergang im Dorf. Bella ging an Jakob Markowitz’ Seite, legte aber nie die Hand in seine und blickte ihn auch selten an, es sei denn, sie begegneten Passanten. Jakob Markowitz redete nicht viel, und Bella war ihm dankbar dafür. Manchmal trafen sie Sonia und Seev Feinberg. Sie erkannten sie von Weitem, denn Sonia und Seev Feinberg schmiegten sich beim Gehen so eng aneinander, dass sie aussahen wie ein Mensch auf vier Beinen, der zweistimmig kichert. Jakob Markowitz achtete auf Gang und Stimmen des befreundeten Paars und vernachlässigte darüber die Augen, sonst hätte er sicher den traurigen Ausdruck in Seev Feinbergs blauen Augen entdeckt. Ein ganzes Jahr schon passte er bei Sonia nicht auf, sondern kam mit großer Inbrunst zu ihr, einer Inbrunst, die von der Fleischeslust zu guten Hoffnungen für die Zukunft übergriff. Aber Sonias Bauch blieb einfach flach, vergebens suchte Seev Feinberg die wunderhübsche Rundung beginnenden Lebens. In den letzten Wochen konnte er seine Frau nicht mehr anrühren, ohne an Wörter wie Eizelle und Sperma und Gebärmutter zu denken, Wörter, die in Biologiebücher gehören und nicht in den Kopf eines Mannes, der eine geliebte Vagina leckt.
Seine Befürchtungen wagte Seev Feinberg nicht zu äußern, und da sie nicht zur Sprache kamen, wuchsen und gediehen die Befürchtungen, wie es ihre Art ist. Seev Feinbergs Schnauzer litt als Erster darunter, ein Seismograf für jede seelische Veränderung seines Besitzers. Wann immer Feinberg Sonias hygienische Binden sah, nahm die Krause des Schnauzers einigen Schaden, und die Schwerkraft wirkte etwas stärker auf dessen Haare. Er begann sich über nichtige Dinge aufzuregen, ein offen gelassenes Fenster, ein verkochtes Essen. Und Sonia, die ihm bei solchen Verweisen normalerweise den Schnauzer gerauft hätte, erkannte dessen Zustand und ließ es bleiben. Seev Feinberg begriff, dass seine Frau nun zu ertragen bereit war, was sie früher abgelehnt hatte, und legte sich mit ganzem Gewicht auf sie. Nicht aus Bosheit, gewiss nicht aus Grausamkeit. Wenn man Menschen einen Stuhl anbietet, werden die meisten ihr Gewicht lieber darauf abladen, als es selbst zu tragen.
Je näher der Geburtstermin rückte, desto besser verstanden sich Jakob und Bella Markowitz. Zwar mied Bella Jakob Markowitz’ Gesellschaft, wenn sie nicht gerade spazieren gingen, und schloss auch weiter jede Nacht ihre Tür ab, aber sie schlief nicht mehr mit einem Messer im Arm. Doch während Bella immer besser schlief, litt Jakob Markowitz wieder an Schlaflosigkeit. Seit Bellas Rückkehr wälzte er sich nicht mehr im Bett, von Eifersucht und Grübeln geplagt – jetzt lag er auf dem bezogenen Sofa, und sein Körper verzehrte sich vor Verlangen. Er hatte Bellas Angebot nach ihrer Rückkehr abgelehnt, weil er sich einen lustlosen Beischlaf mit ihr nicht vorstellen konnte. Sie war seine Frau, keine Hure aus der Stadt, und deshalb würde er nur mit ihr schlafen, wenn sie es wirklich wollte, ohne Feilschen oder sonstigen Nutzen. Aber die Berührung mit ihrem nackten Körper hatte sich in seine Haut eingebrannt, und seine Seele wanderte immer wieder zu dem goldenen Dreieck ihrer Scham. Tagsüber verdrängte er gewaltsam derlei Gedanken, aber sobald er sich schlafen legte, gewannen sie die Oberhand. Seit Bellas Rückkehr war Jakob Markowitz nachtsüber ständig erregt. Bald begnügte sich das Glied nicht mehr mit den Ruhestunden und begann, seinen Besitzer auch am helllichten Tag in Verlegenheit zu bringen. Jakob Markowitz brauchte bloß eine rötliche Frucht zu sehen – sei es eine Pflaume oder eine Erdbeere oder einen Apfel – und schon wölbte sich seine Hose, und die Röte stieg ihm in die Wangen. Jede Frucht erinnerte ihn an Bellas Nippel, jeder Weizenhalm sang ihm das Lied ihrer Scham. Wenn der Schächter ihm ein Stück Fleisch abschnitt, schluckte Jakob Markowitz so hörbar seinen Speichel hinunter, dass Abraham Mandelbaum ihn besorgt ansah. Begegnete Seev Feinberg Jakob Markowitz, wanderte sein Blick unwillkürlich zur Hose seines Freundes, denn in Kontrast zu seinem völlig gewöhnlichen Gesichtsausdruck war seine ständige Erektion höchst ungewöhnlich.
»Warum fährst du nicht nach Haifa? Wenn man genug säuft und genug will, kann man sich einreden, wen man möchte.« Jakob Markowitz befolgte den
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