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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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geschlossenen Lidern erwartete Bella die Berührung von Jakob Markowitz’ Hand, angespannt, wie man auf das Ziehen eines Zahnes wartet. Sie unterdrückte ihre Tränen, ehe sie ihr aus den Augen rannen und ihr Geheimnis verrieten. So viel Salz. Dass es bloß dem Baby nicht schadete. Die Gedanken an das Baby ließen wieder die Bilder in ihr aufsteigen: ein vor Hunger schreiender Säugling, für den sie nichts zu essen hatte. Ein Schüler, dem sie aus Geldmangel keine Schulbücher kaufen konnte. Ein junger Mann, den das Wort »Bastard« auf Schritt und Tritt verfolgte. Wäre sie dazu fähig gewesen, hätte sie sich aus ihrer Starre gelöst und Markowitz eigenhändig verführt, aber da sie es nicht fertigbrachte, minutenlang nicht schaffte, sagte sie nur: »Ich schlafe mit dir, wenn du möchtest.«
    Es dauerte einen kurzen Moment, bis Jakob Markowitz die Bedeutung des Satzes erfasste. Die Diskrepanz zwischen Ton und Inhalt ihrer Worte verwirrte ihn. In dem Bemühen, alles unter einen Hut zu bringen, sagte er sich, sie ist verlegen, schämt sich ihres früheren Verhaltens. Die jungen Schläger, die man ihm geschickt hatte, die verächtlichen Blicke der Dorfbewohner, die Rache des Hauses, das er mit eigenen Händen gebaut hatte – all das lastete ihr sicher auf dem Gewissen und verhärtete ihre Stimme. Bella Markowitz hatte nun erkannt, wie sehr Jakob Markowitz sie liebte, hatte begriffen, dass ihre eigenen Gefühle mit harter Arbeit und großer Hingabe geweckt werden konnten, und hier lag sie doch in seinem Bett und wartete auf Vergebung. Jakob Markowitz, ein kluger Mann, hatte sich das alles beinah schon eingeredet, als er mit bebender Hand die Schulter seiner Frau berührte.
    Bella Markowitz’ Abscheu war unverkennbar. Der Körper setzte sich gegen seine Herrin durch. Die Feigenlippen zuckten zurück, die Lider verkrampften sich, die Bogen der Brauen verflachten völlig. Jakob Markowitz zog seine Hand zurück und setzte sich auf. Minutenlang grübelte er mit geschlossenen Augen. Dachte an die Monate, die Bella ihm fern gewesen war, an den Mann, den sie bei ihrer Wiederkehr sicher zurückgelassen hatte, an ihren schweren Gang auf dem Pfad zur Moschawa, an ihren etwas voller gewordenen Körper. Als er die Augen wieder aufschlug, sah er Bellas Blick auf sich gerichtet, ihr Leib mit dem Laken zugedeckt.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er. »Für das Kind, dessentwegen du gekommen bist, werde ich sorgen. Und jetzt verlass dieses Bett und steig erst wieder rein, wenn du es möchtest.«
    Von diesem Tag an hatte das Haus wieder seine normale Temperatur. Auch der Bougainvillea-Strauch ließ seine Spielchen bleiben, zur Freude von Jakob Markowitz, der schon erwogen hatte, ihn auszureißen. Das Wohnzimmer blieb trübselig, denn Möbel kennen keinen Frohsinn in einem Haus, in dem keine Liebe ist, aber es unterkühlte seine Insassen wenigstens nicht mehr. Jakob Markowitz machte sich nicht vor, dass all das seinetwegen geschah. Im Schoß seiner Frau reifte ein Baby heran, und das Haus hatte seinen Krieg gegen Markowitz eingestellt, um das Wachstum des Kindes zu fördern. Nicht nur das Haus legte sich ins Zeug, um Bellas Schwangerschaft zu unterstützen, auch Jakob Markowitz wollte sich um sie kümmern und ihr das Leben leichter machen. Das Kind in ihrem Schoß betrachtete er als Faustpfand, als Garant für ihr Bleiben. Er war bereit, das Kind sein Leben lang zu ernähren, solange man ihm nur garantierte, dass dessen Mutter bei ihm blieb.

13
    J akob Markowitz und Abraham Mandelbaum sprachen nie wieder über die Nacht, in der der Schächter eigenhändig den Johannisbrotbaum entwurzelt hatte. Seit Bella zurück war, kam Markowitz jeden Tag in die Fleischerei, um ein kleines Stück Fleisch für seine schwangere Frau auszusuchen. Der Schächter gab es ihm zum halben Preis und drückte ihm die Hand so fest, dass er sie danach kaum noch spürte. Wenn Markowitz aus dem Fleischerladen trat, blieben die Dorfbewohner stehen, um ihn verwundert anzusehen. Jetzt spürte er ihre Augen ihn überall begleiten. Dieselben Augen, die Jakob Markowitz früher kaum mehr als eines flüchtigen Blicks gewürdigt hatten, musterten ihn nun lange, verfolgten seine Schritte auf dem gesamten Heimweg, bis er ihnen die Tür vor der Nase zumachte und drinnen nach Bella schaute. Und selbst, wenn die Tür sich geschlossen hatte, verharrten die Augen, bemüht, die weiß gestrichenen Holzschichten zu durchdringen und endlich herauszufinden, warum Jakob

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