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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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langen Sätzen.« Jakob Markowitz hätte ihm gern die Tür vor der Nase zugeknallt, erstarrte aber auf dem Fleck. Von Michael Katz’ Zunge sprangen böse Tiere in Herden und Rudeln und rannten allesamt ins Haus hinein. Katz erzählte von Cafés, in denen Bella die Hand des Dichters gehalten hatte, und von den gemeinsamen Abendspaziergängen auf den Boulevards. Er schilderte ihre anmutigen Tanzschritte und das Lächeln eines jeden, dem es vergönnt war, sie lachen zu hören. Nach und nach füllte sich Jakob Markowitz’ Haus mit Bellas Vergangenheit, bis kein Platz mehr für Jakob Markowitz selber blieb. Nach einem Besuch bei Sonia fand Bella das Haus leer und Michael Katz an der Tür, ein Stück Bindfaden um den Finger gewickelt.
    »Wo ist Markowitz?«
    »Weggegangen. In dringender Mission.«
    »Wohin?«
    »Ich fürchte, das werde ich Ihnen nicht beantworten dürfen, meine Dame.«
    Mehrere Kilogramm hatte Bella Markowitz zugelegt, seit Michael Katz sie das letzte Mal gesehen hatte. Ihr Haar war zerzaust und ihre Stirn verschwitzt, und doch erschauerte Michael Katz unwillkürlich, als sie ihn streng fixierte und noch einmal fragte: »Wohin?«
    »Nach Norden. Mindestens für eine Woche.«
    Michael Katz musterte Bella Markowitz’ verschlossene Züge und fand sie nach wie vor bildschön. Nobel wie immer, dachte er, selbst jetzt lässt sie sich nicht ihre Freude anmerken, dass ich sie wenigstens für eine Woche von diesem elenden Wurm befreit habe. Nach einem weiteren Blick in Bella Markowitz’ Gesicht ließ Michael Katz sich zu der Bemerkung hinreißen, es gehe um eine sehr gefährliche Mission, man könne gar nicht wissen, ob Jakob Markowitz davon zurückkehren werde, und was für ein Glück es doch sei, dass Bella nicht mittellos in Tel Aviv geblieben sei, sondern sich wieder hier eingefunden habe, in diesem Haus, das doch sicher einiges wert sei.
    »Wie schade«, sagte Bella, »dass ich Sie vorhin nicht ins Haus gebeten habe.« Michael Katz sah sie verblüfft an. »Dann könnte ich Sie jetzt nämlich rauswerfen.«
    Bella ging ins Haus und machte Michael Katz die Tür vor der Nase zu. Die Stille im Wohnzimmer tat ihr gut. Einige Minuten blieb sie stehen, musterte das Zimmer, als sähe sie es zum ersten Mal, frei von seinem Eigentümer. Schließlich setzte sie sich aufs Sofa. Ein Stapel Bettzeug lag sorgfältig gefaltet unter einem Kissen. Bettbezug, Laken und Decke, zwischen denen sie, ebenfalls zusammengelegt, ihr altes Nachthemd fand. Bella hob das Hemd ans Gesicht und atmete den Geruch einer Wäscheseife, die sie nicht kannte, vermischt mit einem Körpergeruch, der nicht von ihr stammte. So viele Nächte hatte Jakob Markowitz die Hemdsärmel im Arm gehalten, dass der Stoff seinen Geruch angenommen hatte. Und jetzt war er gegangen. Bella Markowitz schleuderte das Hemd an die Wand. Dann warf sie den Bettbezug und das Laken auf den Boden. Sie legte sich rücklings aufs Sofa, den Bauch hoch gewölbt, die Augen geschlossen. So hatte sie vor sieben Monaten dagelegen, bereit, sich von diesem schrecklichen Mann berühren zu lassen, um für das Baby in ihrem Schoß Sicherheit einzuhandeln. Er hatte ihr Sicherheit geschenkt und seine Berührung erspart, und sie war ihm dankbar dafür und verabscheute ihn wegen allem anderen. Wenn er jetzt sterben würde. Wenn er jetzt fiele. Sie würde es ihm nicht wünschen. Würde aber auch nicht hoffen, dass nicht.
    Drei Tage nach Jakob Markowitz’ Weggang kam der Irgun-Vizechef in die Moschawa. Die Kinder, die den Motorenlärm gehört hatten und prompt zu seiner Begrüßung herbeigerannt waren, liefen weinend zurück, weil der Irgun-Vizechef sie ermahnt hatte, ihren Eltern zu helfen, und derart strengen Blicks auf ihre Hausaufgaben eingegangen war, dass sie sich beinah in die Hosen gemacht hätten. Und die Kinder, die den Motorenlärm nicht gehört hatten, weinten ebenfalls, weil ihnen der Besuch des Mannes entgangen war, den alle nur flüsternd erwähnten und der jedem Kind zur Begrüßung eine echte Handgranate schenkte. So hatten es zumindest die behauptet, die ihn getroffen hatten. Die Mütter putzten den plärrenden Kindern mit dem Blusenzipfel die Nase, tätschelten ihnen die Köpfe und wünschten sich aus tiefstem Herzen, Besuche historischer Persönlichkeiten möchten künftig erst nach Einbruch der Dunkelheit stattfinden.
    Der Irgun-Vizechef parkte den Wagen im Zentrum der Moschawa, wo er von den Blicken der Leute blank poliert werden würde, und ging auf Jakob Markowitz’

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