Eine Nacht, Markowitz
Haus zu. Er hätte sich gern kurz gesammelt, bevor er an die Tür klopfte. Bella hatte er nicht mehr gesehen, seit sie eines Nachts aus seiner Wohnung in Tel Aviv ausgezogen war, um sich einen Dichter zu suchen. Er war nicht sicher, warum sie zu Markowitz zurückgekehrt war oder wie sie dessen Weggang aufgenommen hatte. Ein oder zwei Minuten Lageeinschätzung wären da gut gewesen, aber die Kinder waren ihm in einigem Abstand bis zu Bellas Haus gefolgt und beobachteten ihn ehrfürchtig. Der Irgun-Vizechef wusste, dass die Erziehung der jungen Generation schweren Schaden nehmen würde, wenn sie die erwachsene Generation zögern sähe, und deshalb klopfte er mit fester Hand und bangem Herzen an die Tür.
Bella Markowitz öffnete nicht gleich. Ihre Schritte waren schwerfällig, und ihr Leib platzte aus allen Nähten. Aber als sie endlich die Tür aufmachte, war ihr Gesicht wunderschön, und beim Anblick ihrer Augen, die Sonias so ähnlich sahen, lief dem Irgun-Vizechef ein Schauer über den Rücken, der rein gar nichts mit der Morgenkühle zu tun hatte.
»Ich wollte fragen, wie es der Dame geht.«
»Der Dame geht es gut«, erwiderte Bella und hätte ihm beinah die Tür vor der Nase zugeknallt, wenn ihr nicht gerade noch rechtzeitig eingefallen wäre, wie er sie in Tel Aviv in seiner Wohnung hatte übernachten lassen. Deshalb bat sie ihn herein und machte ihm eine Tasse Kaffee. Während er trank, fragte Bella, was Michael Katz denn zu Markowitz gesagt hatte, dass er danach so überstürzt aufgebrochen war. Der Irgun-Vizechef zögerte kurz mit der Antwort. »Gewiss hat er über die Größe der Stunde gesprochen, über die ungeheure Bedeutung seiner Mission. Der Krieg kann ja jeden Augenblick ausbrechen.«
»Und das hier?«, Bella deutete auf ihren Bauch. »Das kann nicht jeden Augenblick ausbrechen?«
»Eben deshalb bin ich hier«, antwortete der Irgun-Vizechef. »Um dir beizustehen, falls etwas geschieht, während dein Mann im Einsatz ist.« Bella Markowitz warf den Kopf zurück und brach in Lachen aus. Bläuliche Äderchen schlängelten sich unter ihrer zarten, weißen Haut. »Mir beistehen? Dazu kannst du jede Rotznase herschicken. Aber um ihr beizustehen, musstest du selbst kommen.«
Der Irgun-Vizechef senkte die Augen. Als er im Geist noch Fluchtwege durchging, legte Bella ihm die Hand auf den Arm. »Verzeih mir. Ich weiß, du wolltest mir mit dem Auftrag für Markowitz nicht schaden. Vielleicht hast du sogar gedacht, es würde mir nützen. Ich hätte auch so gedacht, zumindest bis vor Kurzem.«
Der Irgun-Vizechef starrte unablässig auf den Zimmerboden, unterteilte ihn im Geist in soundsoviele Quadrate, multiplizierte und subtrahierte von seiner Fläche, überlegte, ob sich darunter ein geheimes Waffenversteck anlegen ließe, krampfhaft bemüht, nicht die eine Frage zu stellen, die er stellen wollte: Woher wusstest du, dass ich ihretwegen gekommen bin? Denn er hatte es ja selbst nicht gewusst, bis Bella es ausgesprochen hatte. Er hatte sich vorgenommen, Jakob Markowitz’ unfreiwillige Ehefrau aufzusuchen, während ihr Mann sich in seinem Auftrag in Gefahr begab. Keinen Augenblick war ihm aufgegangen, dass er nicht Bella suchte, sondern Sonia. Über ein Jahr hatte er sie nicht getroffen, und auch Feinberg war er möglichst aus dem Weg gegangen. Wenn der Irgun-Vizechef Seev Feinberg die Hand drückte, dachte er unweigerlich an den Körper, den diese Hand zuvor berührt hatte, und sobald er an diesen Körper dachte, musste er zwanghaft zum Markt laufen und seine Sehnsucht mit Orangen stillen. Aber die Orangen waren teuer, und die Arbeit war zu wichtig, um sie aus Liebeswahn zu unterbrechen. Deshalb mied der Irgun-Vizechef seinen guten Freund und bemühte sich, nicht nach Norden zu schauen. Einige Monate hatte ihn Sonias Gestalt noch verfolgt, aber schließlich waren die Bilder weggeblieben, wie Straßenkatzen, die der Hand, die sie gerade gestreichelt hat, noch einige Zeit nachlaufen, ehe sie es aufgeben. Jetzt saß der Irgun-Vizechef ein paar Häuser von der Frau entfernt, die er liebte, und spürte ihren Lebensrhythmus in seinem Innern. Sie geht in die Küche. Sie bewässert den Garten. Sie streicht eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr. Er hätte den ganzen Tag so weitermachen können, wenn Bella nicht plötzlich mit einem Stöhnen seine Hand ergriffen hätte. »Ruf Feinberg und Sonia. Es geht los.«
Seev Feinberg traf als Erster ein. Er stürmte mit gesträubtem Schnauzer und kampfbereiten Augen ins
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