Eine Nacht, Markowitz
Dutzende Orangenkisten aus dem Tel Aviver Hafen und eine Hoffnung. Sosehr der Irgun-Vizechef auch gänzlich im Liebesdienst versinken wollte, konnte er doch nicht die Veränderung übersehen, die Sonia seit ihrem letzten Stelldichein durchgemacht hatte. Damals hatte ihr Körper ihn an einen riesigen Jahrmarkt erinnert, deren Wunder sie wie zwei Kinder erkunden wollten. Doch jetzt liebte Sonia ihn hartnäckig, verzweifelt, als hätte sie nicht in erster Linie das Vergnügen des Körpers im Kopf, sondern die Leiden der Seele.
Hinterher, wohlig erschöpft in allen Gliedern, lag der Irgun-Vizechef auf dem Rücken und malte mit dem Zeigefinger imaginäre Kringel um Sonias Nippel. Auf Sonias Lippen ruhte ein schwaches Lächeln, so süß, dass der Irgun-Vizechef sich aufrappelte und sie auf die Mundwinkel küsste.
»Ich weiß, was du antworten wirst, und trotzdem frage ich«, sagte er.
»Wenn du die Antwort weißt, warum dann fragen?«
»Vielleicht überraschst du mich ja. Wenn nicht, kann ich mir wenigstens sagen, dass ich dich zu überreden versucht habe, mitzukommen. Und vielleicht kommst du wirklich mit, Sonia? Warum denn nicht? Du bist doch nicht glücklich hier. Das kannst du mir nicht weismachen. Ich sehs doch. Du bist nicht glücklich.«
»Glücklich?« Sonia machte große Augen vor Staunen. »Seit wann hängen Glück und Liebe zusammen?«
Sie redeten dann noch über andere Dinge. Sonia hörte aufmerksam zu, als ihr der Irgun-Vizechef von dem einzigen Brief erzählte, den er von seiner Familie in Europa erhalten hatte, und von den Strapazen des letzten Einsatzes. Sie lachte, wenn er lachte, und wurde traurig, wenn er es wurde, und die ganze Zeit strich sie sich mit der rechten Hand über den nackten Bauch. Den Bauch, dem neun Monate später Seev Feinbergs Erstgeborener entspringen sollte.
Während
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N och nie hatte man in der Moschawa zwei Kinder gesehen, die so aneinander hingen wie der Sohn von Jakob Markowitz und der Sohn von Seev Feinberg. Zwar musste Zwi Markowitz volle neun Monate warten, bis Jair Feinberg auf die Welt kam, aber kaum war er da, wurden sie unzertrennlich. Die ganzen neun Monate, die Zwi Markowitz auf Feinbergs Sohn wartete, wollte er nicht wachsen. Seine Eltern, die den Grund seines Zurückbleibens nicht kannten, befürchteten, das Kind könnte bei der Geburt Schaden genommen haben. Er weinte selten, krabbelte wenig, drehte sich nur träge um und starrte die ganze Zeit mit gespannter Erwartung in die Luft. Sooft Bella ihm auch die Brust gab, er wollte kaum saugen, und wenn sein Vater ihm ein Spielzeug bastelte – Holzstäbchen, zu einem Stern verbunden –, wandte er die Augen ab, als wolle er sagen: »Noch nicht, die Zeit ist noch nicht reif.« Bis er zum ersten Mal Jair Feinbergs Weinen hörte, ein Weinen, das wie ein Vogelschwarm die Luft der Moschawa zerriss und auch die Kruste seiner Erwartung. Da schlug Zwi Markowitz die Augen auf, zwei unergründlich tiefe, blaue Seen, und auch den Mund tat er auf, und als seine Mutter seinen Ton vernahm, ergriff sie die Hand des Vaters und rief: »Er lacht! Er hat gelacht!« Fortan hörte er nicht mehr auf damit, außer zum Essen. Jakob Markowitz’ Haus füllte sich mit Babylachen. Auch sein Hof. Wenn er, wenige Fußminuten vom Haus, auf dem Feld arbeitete, meinte er manchmal, zwischen den Halmen ein Echo des Lachens zu hören, das der Wind von seinem Anwesen herübertrug.
Bis Jakob Markowitz eines Tages bei der Feldarbeit Kriegsgeräusche ans Ohr drangen. Das soll nicht heißen, dass der Himmel von Mörsergranaten erdröhnte. Keine Gewehrsalve war zu hören, und die Erde erbebte nicht vom Tritt marschierender Truppen. Und doch legte Jakob Markowitz die Hacke nieder und lief nach Hause. Die menschenleeren Felder auf dem Rückweg zeigten ihm, dass er recht hatte. Alle hatten es gehört. Alle waren ins Dorf geeilt. Wie Pferde vor dem Sturm unruhig mit den Hufen stampfen, wie Vögel etwa eine halbe Stunde vor einer Naturkatastrophe verstummen, so spürten die Menschen, mit einem über Generationen ausgebildeten sechsten Sinn, das Nahen eines historischen Ereignisses.
Im Dorf selbst herrschte hektisches Treiben. Einige liefen los, um Lebensmittel einzukaufen, andere beeilten sich, Wäsche aufzuhängen, damit der Krieg sie nicht ohne saubere Strümpfe erwischte. Einer ging rasch seine Schulden eintreiben, in solchen Zeiten zählte jeder Groschen. Was sie auch taten, sie schienen es schnell zu tun. Sie fuhren schnell und redeten schnell,
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