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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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mussten dran glauben.
    »Raus! Sofort! Oder ich werf auch noch mit Messern!«
    Jakob Markowitz erwog den Rückzug. Viele Kämpfe hatte er ausgefochten, sich aber noch nie so unmittelbar bedroht gefühlt wie in dem Moment, als die Frau des Händlers einen Topf kochende Milch packte und nach ihm schleuderte.
    »Halt! Ich bin ein Kamerad Ihres Mannes!«
    Jakob Markowitz konnte gerade noch zur Seite springen, um der brodelnden Flüssigkeit zu entgehen. Auf seinen Schuhen landeten ein paar weiße Spritzer, die kurz zischten und dann abkühlten.
    »Noch ein Schuldeneintreiber? Oder ein beutehungriger Bierimporteur? Oder hat er auch Ihnen eine unserer Töchter im Gegenzug für einen guten Tropfen versprochen?«
    »Ein Bauer«, erwiderte Jakob Markowitz, was die Frau des Jaffaer Händlers nunmehr dazu veranlasste, den Korb mit den Eiern abzusetzen, die ebenfalls als Wurfgeschosse gedacht gewesen waren. Hinter dem Korb tauchten ein spitzes Gesicht und pechschwarzes Haar auf.
    »Bauen Sie Wein an?«
    »Nein.«
    »Produzieren Sie Apfelwein?«
    »Nein.«
    »Vielleicht Pflaumenlikör?«
    »Meine Dame, ich habe Ihrem Mann noch nie was zu trinken verkauft.«
    »Dann haben Sie ihn umsonst saufen lassen?«
    »Nein. Aber ich habe zu seinem Gedenken getrunken.«
    Dutzende von Eiern zerbrachen mit einem Schlag, als die Frau des Jaffaer Händlers strauchelte und mit den Füßen den Korb umstieß. Gelb und Weiß vermischten sich auf dem Fußboden des Hauses. »Zu seinem Gedenken?« Erstmals brach die harte Stimme und erbebte. Jakob Markowitz räusperte sich. »Hat man es Ihnen nicht mitgeteilt?« »Es waren Leute da, aber ich hab die Tür abgeschlossen und nicht aufgemacht. Ich dachte, er sei getürmt, um sich was zu trinken zu besorgen, und sie wollten ihn abholen. Ich hab vom Dach siedendes Öl auf sie gegossen.« Die Frau des Jaffaer Händlers setzte sich auf den verdreckten Boden. Jakob Markowitz zögerte kurz, trat dann näher und setzte sich neben sie. »Ein Dummkopf. Wie dumm er war.« Runde Tränen kullerten ihr nun über das spitze Gesicht. »Und ein Faulpelz. Und ein Ehebrecher. Sie werden doch zugeben, dass er untreu gewesen ist?!« Das spitze Gesicht wandte sich Jakob Markowitz zu, der unbehaglich herumrutschte und schließlich sagte: »Zugegeben.«
    »Ein Ehebrecher und ein Lebemann.« Die Frau des Jaffaer Händlers barg den Kopf in den Händen. Ihr widerspenstiges, schwarzes Haar bedeckte fast den ganzen Körper. »Und ein Lügner.« Jakob Markowitz senkte den Blick zu Boden, wo sich die Tränen der Frau mit der Milch und den ausgelaufenen Eiern vermischten. Als sie die Augen hob, sah er ihr Gesicht tränennass.
    »Stimmen Sie mir zu, dass er ein Schwein gewesen ist?«
    »Ein absolutes Schwein.«
    »Ahhhh!« Die Frau wimmerte jetzt mit dünner, hoher Stimme. Jakob Markowitz vertiefte sich unversehens in einen kleinen Eierfleck auf seiner Hose. Er leckte den Zeigefinger an und versuchte, den Fleck abzuscheuern. Ohne Erfolg. Der Fleck wollte nicht weichen, und die Beschäftigung damit wollte das immer unerträglichere Weinen der Frau nicht ausblenden. Schließlich sah er sie an und sagte den einzigen Satz, der ihm einfiel: »Aber Sie müssen wissen, dass er wie ein Held gestorben ist.«
    Die Frau des Jaffaer Händlers hörte auf zu weinen. Mit schmutziger Hand wischte sie sich die Tränen aus den Augen und strich eine schwarze Haarsträhne zurück. Als der Schleier der Tränen und der Haare zwischen ihnen fiel, spürte Jakob Markowitz, wie nah er der Händlersfrau saß, und zuckte ein wenig zurück. Sie sah ihn geringschätzig an. »Wie ein Held sterben, das gibts gar nicht. Tot ist tot.« Jakob Markowitz wusste keine Antwort auf diesen Satz, der zwar einfach und logisch klang, aber doch Unheil in sich barg. Schließlich wagte er zu sagen: »Trotzdem besteht ein Unterschied.«
    Darauf erhob sich die Händlersfrau und lief in die Küche. Jakob Markowitz eilte ihr nach. Der Großteil des Essgeschirrs und der Lebensmittelvorräte war dem ungebetenen Gast längst um die Ohren geflogen, und auf der Arbeitsfläche lag nur noch ein fettes Huhn. »Dieses Huhn, das ich vor Ihrer Ankunft ausgenommen habe – wollen Sie etwa behaupten, es würde ihm was ausmachen, ob ich Fleischklöße oder Schnitzel draus mache?«
    »Das ist nicht dasselbe, schließlich – «
    »Und mein Mann«, fiel sie ihm ins Wort, »mein Dummkopf und Faulpelz und Ehebrecher und Lebemann und Schwein – macht es ihm etwas aus, ob man ihn zum Helden oder zum Schurken

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