Eine Nacht, Markowitz
ein Kind heran. Nun öffnete Seev Feinberg die Flasche und beide tranken einen Schluck, und dann weitere. Seev Feinberg erzählte, dass Sonias Vagina nun anders schmecke, noch viel süßer, richtig nach Pfirsich, nie im Leben habe er so was gekostet, vielleicht nur früher mal, bei der aus Gedera, die ein blaues und ein grünes Auge hatte und ein halbes Jahr später tatsächlich Zwillinge zur Welt brachte, einen mit blauen und einen mit grünen Augen. Dann begann Seev Feinberg laut zu überlegen: War es tatsächlich Pfirsich, denn es gab ja schließlich auch Pflaume und Aprikose, und wie ließe sich sowohl die Süße als auch die Textur beschreiben, und die ganze Zeit funkelte ein Tropfen Schnaps an Seev Feinbergs herrlichem, gesträubtem Schnauzer, und der Irgun-Vizechef betrachtete den Tropfen, in dem sich wieder und wieder und wieder nur ein einziges Wort spiegelte: Kind.
Schließlich stand Seev Feinberg auf und ging, nicht ohne den Irgun-Vizechef vorher umarmt zu haben. Der Irgun-Vizechef blieb lange an seinem Tisch sitzen, und dann stand er auf und tat das Einzige, was er anzufangen wusste: Araber umbringen. Er tötete sie in Galiläa und in Hebron, in den Straßen von Jerusalem und in den Gassen von Jaffa. Wann immer der hebräische Jischuw einen Vergeltungsschlag oder eine Verteidigungshandlung oder – um der historischen Wahrheit die Ehre zu geben – eine erfolgreiche Operation brauchte, ging der Irgun-Vizechef mit gutem Beispiel voran. Und man benannte Babys nach ihm, noch ehe er dreißig Jahre zählte.
Drei Tage nach Kriegsende kam der Irgun-Vizechef müde und hungrig heim. Er war derart erschöpft, dass er Fruma Grünberg nicht von der Straßenecke herbeirennen sah, und so wurde er mühelos eingefangen, wie ein Kaninchen, das in die Lichtkegel eines Autos geraten ist.
»Was für ein Wunder, dich einfach so auf der Straße zu treffen!«
Der Irgun-Vizechef, der das Wort »Wunder« für besondere Gelegenheiten aufsparte, etwa für den Tag damals, als eine scharfe Handgranate mitten im Feldlager gelandet war und er sie mit der Hand gepackt und zurückgeworfen hatte, nickte nur höflich.
»Heute ist doch der erste Geburtstag des kleinen Efraim! Es wäre so schön, wenn du mitfeiern würdest!«
Der Irgun-Vizechef begriff, dass er in der Falle saß. Vergebens deutete er auf seine staubige, blutbefleckte Uniform und sagte, so gehe man doch nicht auf eine Feier. Frumas Augen glänzten angesichts der Flecke. Ihrem lieben Ehemann hatte sich ein dreister Stein in die Nieren gesetzt, der ihn für jede auch nur annähernd heldenhafte Aufgabe untauglich machte. Jetzt würde sie sich endlich mit einem echten Feldherrn schmücken. Sofort hakte sie den Irgun-Vizechef unter und führte ihn ab zu ihrem Haus. Die Festgäste begrüßten ihn begeistert. Nicht alle Tage trifft man eine berühmte Persönlichkeit, wenn man sich gerade ein weiteres Glas Limonade einschenken wollte. Sie fragten ihn nach seinen Erlebnissen im Norden, erkundigten sich nach seinen Großtaten im Süden, flüsterten beim Mohnkuchen: »Bist du eines Nachts wirklich durch die jordanische Blockade geschlüpft, um deine Hand an die Quader der Westmauer zu legen?«, warteten aber die Antwort gar nicht erst ab, denn für sie gab es nur eine mögliche Antwort. Der Irgun-Vizechef lächelte höflich, ließ die Geschichten ihn umwabern, wie die Wolkenschleier auf chinesischen Porzellantellern den Berg umkränzen. Aber das höfliche Lächeln des Irgun-Vizechefs brachte die Festgäste nicht etwa zu der Erkenntnis, dass sie reine Märchen und Legenden verbreiteten, die keines Kommentars wert waren, sondern überzeugte sie erst recht von der Wahrheit der Begebenheiten. Es liegt in der Natur des höflichen Lächelns, dass der Mensch daraus ablesen kann, was er möchte.
»Wir haben ihnen gezeigt, was eine Harke ist!«, brummte ein Fremder, der neben ihm stand und von Schweiß und Limonade triefte. Der Irgun-Vizechef nickte. So eine Geste kostet ja nichts, erfreut die Mitmenschen aber sehr.
»Wir haben sie aus Lod verjagt, aus Jaffa vertrieben. Jetzt wird das Land vierzig Jahre Ruhe haben!« Der Irgun-Vizechef hörte schlagartig auf zu nicken. »Nein«, sagte er. »Es wird keine Ruhe haben.« Denn obwohl er höchst routiniert im Nicken war und sich, wenn nötig, auch mit erfundenen Heldentaten abfand, konnte er so einen Selbstbetrug nicht mit Schweigen übergehen. Schließlich hatte er persönlich die Augen der Araber von Lod gesehen, als sie ihre wenigen
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