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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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hätte heißen sollen und nun ein kleiner Efraim geworden war.
    Efraim Scharabi wurde zwei Monate später geboren, obwohl keiner wetten wollte, an welchem Tag und um welche Uhrzeit. Sein Vater, ein begnadeter Scharfschütze, kämpfte unterdessen in den Jerusalemer Bergen. Auf verschlungenen Wegen erreichte ihn das Gerücht, dass seine Frau niedergekommen war. Junge oder Mädchen oder geflügelter Affe – das wusste er nicht. Der Irgun-Vizechef hörte es und befahl dem Vater, sofort sein Haus aufzusuchen. Er weigerte sich. »Wenn du mir nicht innerhalb von achtundvierzig Stunden Meldung machst, was sich bei ihm dort zwischen den Beinen verbirgt, schlage ich dir den Schädel ein.« Der Vater eilte nach Hause und entdeckte, dass er einen Sohn bekommen hatte. Er nannte ihn Efraim und eilte zurück, und zwei Wochen später war er tot.
    Efraim Grünberg wurde an einem dunstigen Märztag in Tel Aviv geboren. Von seiner Mutter hatte er die Knollennase und das hitzige Temperament geerbt, von seinem Vater die unreine Haut und die zusammengewachsenen Augenbrauen. Er war ein ziemlich hässliches Baby, obwohl es durchaus auch noch hässlichere gab. Seine Mutter sah ihn seine kleine Faust auf und ab schwingen und wusste, dass er sie eines Tages auch über dem Rednerpult der Knesset schwingen würde. Deshalb suchte sie den Namen eines begnadeten Führers, dem er nacheifern könnte. »David« war besetzt: Zu viele Mütter auf der Geburtsstation wünschten sich diesen Namen. »Herzl« hörte man bis zum Überdruss auf den Höfen und Balkonen. Jehuda Grünberg stand am Bett seiner Frau und blickte gerührt auf seinen Sohn. Das Kind fing an zu weinen, und Fruma gab ihm die volle Brust. Der Anblick der mächtigen Brust erinnerte Jehuda an die Sahnebrüste von Fruma, als er sie an Bord des Schiffes zum ersten Mal kostete. Im sicheren Hafen angelangt und frisch geschieden, hatte Fruma zwar zunächst das Land und seine Männer erkunden wollen, war schließlich jedoch zu ihm, Jehuda, zurückgekehrt, und hatte ihn ein zweites Mal geheiratet. Jetzt verwandelten sich die Sahnebrüste in Muttermilch. In diesem Moment wusste Jehuda Grünberg: Er würde dem Kind den Namen des Irgun-Vizechefs geben, der ihn auf die Europareise geschickt hatte, von der er verheiratet zurückgekehrt war. Diese Geste beruhte zu gleichen Teilen auf Dankbarkeit und Minderwertigkeitsgefühlen, denn Jehuda Grünberg wollte einerseits den Mann ehren, dem er letzten Endes sein Glück zu verdanken hatte, stellte sich andererseits aber auch zu gerne vor, wie er den kleinen Efraim, der seiner Autorität unterstand, mit »Efraim! Hast du schon wieder Kacki neben den Topf gemacht?« ausschimpfen würde. Dem großen Efraim wagte er nichts anderes als »Jawohl, Chef!« zu sagen. Jehuda Grünberg unterbreitete seinen Vorschlag umgehend Fruma Grünberg, die darüber nachdachte und dann entschied: »Der Mann ist zwar noch keine große Persönlichkeit, steuert aber zweifellos darauf zu. Schön und gut, nennen wir das Kind Efraim.« Und das ziemlich hässliche Baby ließ, als hätte es verstanden, einen kleinen Furz fliegen.
    Der Irgun-Vizechef redete nicht viel über die Babys, die seinen Namen trugen. Deshalb beschloss jeder seiner Untergebenen, der einen Namensvetter zum Nacheifern suchte – weil Herzl und David und die drei Erzväter schon ausreichend zu Ehren gekommen waren –, auf der Stelle, seinen Sohn Efraim zu nennen, eine originelle Idee, eindeutig. Im nächsten halben Jahr wurde der Irgun-Vizechef über vier Neugeborene informiert, die er alle hochheben und herzen und streicheln musste, während er in stiller Seele immer nach einem anderen Kind fragte.
    Der Irgun-Vizechef hatte Jair Feinberg noch nie gesehen. Drei Monate nach dem Tag, an dem er mit Sonia geschlafen hatte, war Seev Feinberg mit einer Schnapsflasche in sein Büro geplatzt, hatte sie auf den Tisch gestellt und gerufen: »Auf das Leben des Jungen!«
    »Des Jungen?«
    »Des Jungen. Gut, vielleicht wird es ein Mädchen. Da müssen wir erst noch warten und dann nachsehen. O Gott, wenns ein Mädchen wird, und wenn sie so duftet wie Sonia, dann muss ich mir ja MGs und Handgranaten bei dir besorgen, um sie vor den Jungs zu schützen!« Damit brach Seev Feinberg in schallendes Gelächter aus, das durchs ganze Hauptquartier dröhnte, nur nicht in die Ohren des Irgun-Vizechefs. Das Wort »Junge« setzte sich in seinem Kopf fest, ganz nah am Trommelfell, und dämmte jeden anderen Laut. Ein Kind. In Sonias Leib wuchs

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