Eine Nacht mit Folgen
stecken, als über ihre Gegenwart zu reden, dachte er. Oder über die Zukunft ihres Babys. Wann immer er dieses Thema ansprach, verschloss sie sich sofort, aber im Moment wirkte sie heiter und gelassen.
Er zwang sich zu einem Lächeln. "Ich verberge keine skandalösen Geheimnisse, falls du das glaubst."
"Hm ..." Sie öffnete ihren Sicherheitsgurt.
Graham stieg aus dem Wagen aus und ging um die
Kühlerhaube herum, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Doch sie hatte den Wagen bereits verlassen, bevor er sie erreicht hatte.
"Aber du hast Geheimnisse", stellte sie fest, während sie die Tür zuschlug.
Sie liefen auf den Strand zu, der vom Parkplatz durch eine niedrige Betonmauer getrennt war. Eine steile sand verwehte
Treppe führte zum Strand. Graham ergriff Serenas Arm und führte die junge Frau vorsichtig hinunter.
"Warum fragst du nicht einfach, was du wissen willst?"
schlug er vor, als sie am Ende der Treppe angekommen waren.
"Also gut. Wo bist du aufgewachsen?"
"In einer kleinen Stadt in Texas."
Sie sah ihn erstaunt an. "Aber du hast überhaupt keinen Akzent."
"Ich habe ihn in den vielen Jahren in New York verloren", erklärte er.
"Oh, damit man dich nicht gehänselt?"
"Hm."
Sie hatten jetzt das Meer erreicht und gingen am Strand spazieren.
"Und du warst vierzehn Jahre alt, als du nach New York umgezogen bist?" fragte sie.
"Richtig."
Obwohl umgezogen kaum das richtige Wort für das war, was damals geschehen war. Er war den weiten Weg von Texas nach New York getrampt mit nichts weiter als dem Hemd, das er auf dem Leibe trug, und den wenigen Dollars, die er in der Pfandleihe für das Fahrrad erhalten hatte, das sein Großvater ihm vor seinem Tod noch gekauft hatte. Graham hatte fast zwei Monate für diese Reise gebrauc ht, und er war dabei in einige gefährliche Situationen geraten. Eintausendsiebenhundert Meilen waren ein langer Weg für einen Jungen, der ganz allein reiste.
Aber er hatte es überlebt.
Wenn seine Eltern ihm überhaupt etwas beigebracht hatten, dann wie man sich auch unter schlechtesten Bedingungen durchschlug.
"Leben deine Eltern immer noch in New York?"
"Nein", erwiderte er. Er hätte ihr jetzt erzählen können, dass sie nie dort gelebt hatten, aber das tat er nicht. Stattdessen sagte er: "Sie leben schon lange nicht mehr."
"Oh ... das tut mir Leid. Ich weiß, wie schmerzhaft solch ein Verlust ist. Meine Mutter ist auch gestorben." Sie lächelte ihn mitfühlend an.
Ihr Mitgefühl war unnötig, aber er konnte sich nicht dazu durchringen, ihr die Wahrheit zu sagen. Er wollte ihr nicht sagen, dass er nicht mit Schmerz und Traurigkeit auf die Nachricht reagiert hatte, dass seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren. Sie waren, wie immer, unter Alkoholeinfluss gefahren und hatten den Unfall selbst verursacht. Um ehrlich zu sein, hatte er kaum etwas gefühlt.
Vielleicht ein wenig Erleichterung und ein wenig Verachtung für all die Dinge, die sie ihm angetan hatten. Und vor allem Wut, weil sie einen unschuldigen Teenager bei diesem Unfall getötet hatten. Aber auf keinen Fall Trauer und Schmerz.
Sie hatten seine Trauer nicht verdient, hatte er sich immer und immer wieder gesagt. Seine Eltern waren
unverantwortliche, rücksichtslose Menschen gewesen, die nie ein Kind hätten haben dürfen. Er war nur froh, dass er das einzige Kind geblieben war.
Er und Serena hatten jetzt einen belebteren Teil des Strandes erreicht, an dem Paare und Teenagergruppen, Familien mit kleinen Kindern und auch ältere Menschen die Sonne und das Meer genossen.
Es wehte ein Wind, und obwohl die Sonne schien, war es doch November und zu kalt, um sich die Schuhe auszuziehen.
Bei diesem Gedanken fiel Graham ein, dass er seit Jahren nicht mehr barfuss im Sand gelaufen war.
Würde er es eines Tages wieder tun? Vielleicht wenn ihr Kind zu laufen begann?
Der Gedanke, mit ihrem Kind zu diesem Strand zu gehen, rief ein seltsames Gefühl in seiner Brust hervor. Noch schien alles so unwirklich zu sein, selbst wenn er Serenas runden Bauch sah. Aber schon bald würden sie ein kleines Wesen in ihren Händen halten, das ganz von ihnen abhängig war.
Ein Baby. Sein Kind.
Obwohl er darüber schon einige Tage unterrichtet war, wurde ihm diese Tatsache erst jetzt richtig bewusst. Die Erkenntnis, dass er bald Vater werden würde, brach mit solch einer Macht über ihn herein, dass sich plötzlich die Welt um ihn zu drehen schien und das Blut so laut in seinen Ohren rauschte, dass es sogar den Wind und die
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