Eine Nacht mit Folgen
Entscheidung zu treffen."
"Es ist mein Baby."
"Unseres."
Das sind wir schon einmal durchgegangen, dachte er. Und nichts schien sich seit dem letzten Mal geändert zu haben.
"Ich kann dir nur sagen", fuhr er fort, "dass ich auf keinen Fall aus deinem Leben, aus dem Leben unseres Kindes, verschwinden werde. Das ist etwas, was du akzeptieren musst."
"Und falls nicht", erwiderte sie spitz, "kannst du ja eine ganze Armee von Anwälten anheuern, um mich umzustimmen."
"Das würde ich nicht tun", versicherte er ihr.
Sie blieb stehen. "Aber was ist, wenn ich mich weigere?"
fragte sie und sah ihn herausfordernd an. "Würdest du dann immer noch so ruhig und gelassen bleiben?"
Ihre plötzliche Wut überraschte ihn. Es war mutig von ihr, sich gegen ihn zu stellen, denn natürlich könnte er gegen sie vorgehen. Er besaß ausreichend Geld und Einfluss.
Aber das würde er nicht tun. Nein, er würde seine Macht nicht einsetzen. Er konnte genauso eigensinnig sein wie sie. Er würde einfach ausharren, und irgendwann würde sie schon nachgeben.
Irgendwie würde er eine Rolle im Leben ihres Kindes spielen, eine Ro lle, die gut für alle drei war.
Er bemerkte, dass plötzlich ein seltsamer Ausdruck über ihr Gesicht huschte, den er nicht deuten konnte.
"Was ist los?" fragte er.
Sie wich seinem Blick aus. "Nichts."
"Serena, sag mir, was los ist."
Sie umschloss mit beiden Händen ihren Bauch.
"Ist etwas nicht in Ordnung?" fragte er, und sein Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen, dass dem Baby etwas zustoßen könnte. "Geht es dir gut?"
"Ja." Sie seufzte. "Das Baby hat nur gerade so stark gestrampelt. Das ist alles."
Das ist alles? hätte er sie am liebsten angeschrien. Unser Baby bewegt sich in dir, und du sagst mir, es ist nichts? "Gerade jetzt?"
Sie nickte.
Freude stieg in seinem Herzen auf. "Ist es das erste Mal?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe seine Bewegungen bereits vor einigen Wochen gespürt."
Der Wind fuhr durch ihr hellbraunes Haar und zerzauste es leicht. Graham strich ihr einige zarte Strähnen aus dem Gesicht und steckte sie ihr hinter die Ohren.
Serena schaute ihn an, und ihre Blicke fanden sich. Er sah, wie ihre Augen dunkler wurden, und er spürte das gleiche erregende Prickeln wie in jener ersten Nacht. Allein ihr Haar zu berühren, erregte ihn.
"Kann ich es fühlen?" Er konnte seine Freude und Erregung einfach nicht verbergen. "Darf ich?"
Sie nickte, und er legte vorsichtig eine Hand auf ihren Bauch.
"Sag mir, wo", bat er.
Sie führte seine Hand zur unteren linken Hälfte, und dann spürte er es. Etwas bewegte sich ganz leicht unter seiner Handfläche. Plötzlich wurde tief in ihm etwas lebendig. Großer Gott, dacht e er, das ist unser Kind. Es war ein überwältigendes Gefühl. Ein Gefühl, das mit nichts auf der Welt zu vergleichen war.
In den letzten Tagen hatte er endlos darüber nachgedacht, was es bedeutete, Vater zu sein, und ob er wirklich die Vaterrolle übernehmen wollte. Allerdings waren seine Grübeleien bis jetzt ziemlich unfruchtbar gewesen.
Aber jetzt, als er spürte, wie sich das Kind in Serenas Bauch bewegte, schienen die Teile wie bei einem Kaleidoskop zu einem Bild zusammenzufallen.
Er besaß väterliche Gefühle. Sehr starke sogar. Er spürte eine Liebe in sich, die alles übertraf, was er je empfunden hatte.
Nicht nur, dass er auf einmal wusste, dass er das Richtige tun würde. Er spürte auch, dass er ein liebender Vater sein würde.
Es war ein Wissen, das zutiefs t in ihm verankert war. Er wollte erfahren, wie es war, so ein enges Band zu seinem Kind zu haben, so wie dieser Mann und das Mädchen mit dem Drachen.
Er wollte sein Kind mit Liebe aufziehen, ihm alles beibringen, was er wusste.
Seine Eltern hatten bestimmt nicht solche Gefühle und Wünsche gehabt, wurde ihm klar. Er bezweifelte, dass das Herz seiner Mutter jemals schneller geschlagen hatte, als er in ihrem Bauch strampelte. Oder dass sein Vater jemals einen Gedanken daran verschwendet hatte, die Hand auf den Bauch seiner Frau zu legen, um das werdende Leben wahrzunehmen. Graham war ein Unfall gewesen, den sie zutiefst bedauerten. Das hatten sie ihm oft genug zu verstehen gegeben. Sie hatten sich nie durch ihn bereichert gefühlt, so viel war sicher. Sie hatten ihm nie beigebracht, wie man einen Drachen steigen ließ oder wie man Fahrrad fahren oder Schwimmen lernte.
Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Partys zu feiern und sich zu amüsieren.
Aber er war nicht wie seine Eltern.
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