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Eine Nacht zum Sterben

Eine Nacht zum Sterben

Titel: Eine Nacht zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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blieb so dicht hinter ihnen, daß er den Fahrer deutlich erkennen konnte; einen bleichen, asketisch wirkenden Mann mit ungewöhnlich hellblondem Haar. Der Mann sah aus wie ein Priester.
    Sie kamen an eine Kreuzung. Der Lieferwagen fuhr geradeaus weiter, der Renault bog links ab und verschwand. Chavasse runzelte die Stirn. Er wurde immer neugieriger – so neugierig wie Alice im Wunderland.
    Der Lieferwagen verließ dann die Landstraße und bog in einen engen Sandweg ein. Sie fuhren durch einen Kiefernwald zum Strand. Ein paar Augenblicke später fing der Motor an zu würgen, stotterte und ging dann ganz aus. Der Lieferwagen rollte noch ein paar Meter und hielt.
    Die Tür wurde geöffnet, und Jacaud erschien.
    »Eine Panne?« fragte Chavasse.
    »Kein Benzin mehr«, sagte Jacaud. »Aber es macht nichts. Ich habe immer einen Reservekanister bei mir. Da, hinter der Sitzbank.« Chavasse entdeckte einen alten englischen Armeekanister, der aussah, als sei er schon in Dünkirchen benutzt worden. Er mußte voll sein bis zum Rand, denn er war schwer hochzuheben in dem engen Raum hinter der Sitzbank. Er mußte beide Hände gebrauchen, und das war offensichtlich genau das, womit Jacaud gerechnet hatte. Als Chavasse den Kanister mit viel Mühe auf die Bank hob, holte Jacaud mit einem Wagenheber aus und schlug mit voller Wucht zu.
    Nur saß Chavasse nicht mehr da, wo er eben noch gesessen hatte. Er war zur Seite ausgewichen, hielt den Kanister mit beiden Händen, als ob er federleicht wäre, und der Wagenheber prallte auf das Holz der Sitzbank.
    Jacaud wich sofort zurück, brachte sich aus der Gefahrenzone; sein Instinkt, der ihm dreiundvierzig Jahre lang sein Leben erhalten hatte, signalisierte ihm, daß er einen Fehler gemacht hatte. Er war nicht schnell genug. Der Kanister traf ihn voll auf die Brust, und er stürzte. Er rollte auf den Bauch und wollte wieder aufstehen, aber da hatte Chavasse ihn schon gepackt.
    Mit einem Arm wie aus Stahl drückte er Jacaud die Kehle zu und schnitt ihm die Luft ab; fast wäre er auf der Stelle erstickt.
    Was dann passierte, nahm Chavasse nicht mehr genau wahr. Er hörte noch Famia schreien, sie rief seinen Namen, und dann war plötzlich alles dunkel. Er spürte keinen Schmerz – es tat überhaupt nicht weh. Der Schlag hatte ihn unten am Hals getroffen, es war der Schlag eines Fachmanns – das konnte er noch denken, und im selben Augenblick wurde es wieder hell.
    Über ihm war das Gesicht eines Heiligen, eines dämonischen Antonius; ein unwirkliches Gesicht, das aussah, als sei es nicht von dieser Welt. Unter dem flachsblonden Haar waren hellblaue leere Augen. Die Augen hatten keinen Ausdruck, sie blickten vollkommen teilnahmslos, aber auch ohne Grausamkeit. Der Mann kniete neben Chavasse, er schien in einer Art Trancezustand; mit beiden Händen hielt er eine kostbare elfenbeinerne Madonna. Chavasse spürte die Smith & Wesson in seinem Rücken; sie steckte noch in ihrer Halfter. Famia Nadeem stand neben dem Lieferwagen, die Hände ineinandergekrallt; man sah ihr an, daß sie schreckliche Angst hatte. Neben ihr stand Jacaud. Chavasse wollte noch ein paar Minuten abwarten. Er sah wieder Rossiter an, blickte durch ihn hindurch, als könne er ihn nicht wahrnehmen, und rieb sich die Augen.
    Der Engländer gab ihm eine leichte Ohrfeige. »Chavasse, können Sie mich hören?« Chavasse versuchte hochzukommen und stützte sich auf einen Ellbogen. Rossiter lächelte kurz. »Ich dachte schon, Sie hätten mehr abbekommen, als ich wollte.«
    »Es hat mir gereicht«, sagte Chavasse und setzte sich auf; mit einer Hand rieb er seinen Nacken. »Ich nehme an, Skiros hat sich bei Ihnen gemeldet?«
    »Natürlich. Er hat mir mitgeteilt, daß Sie eine beträchtliche Summe bei sich haben, die der Organisation gehört, für die ich arbeite. Wo ist das Geld?«
    »An einem sicheren Ort in St. Brieuc. Sozusagen ein Trumpf für mich, den ich noch im Ärmel behalten wollte. Mit wem habe ich übrigens die Ehre? Sie sind nicht Jacaud, oder?«
    »Monsieur Jacaud haben Sie schon kennengelernt. Mein Name ist Rossiter.«
    »Und er und Skiros arbeiten für Sie?«
    »Sozusagen.«
    »Dann muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht allzuviel von der Art und Weise halte, wie Sie Ihre zahlenden Kunden behandeln. Als ich in Marseille ankam, hat mich Skiros zu einem falschen Treffpunkt geschickt und obendrein ein paar Gauner auf mich angesetzt, die mir mein Geld abnehmen sollten. Als ich auf das Schiff zurückkam, um ihn zur Rede zu

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