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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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gewünschte Nachricht. Sie entspannte sich wieder.
    Jetzt lächelte er das Mädchen freundlich an und lieh sich ihre Worte. »Um also direkt zu werden: Ich habe den Titel des Earls geerbt und besitze ein paar verrottete und unprofitable Besitztümer. Ihr Vater hat mit großer Mühe dafür gesorgt, dass ich sonst nichts bekomme.«
    Ausdruckslos sah sie ihn an. »Warum?«
    Simon zuckte mit den Achseln. »Er hatte eine sehr hohe Meinung von der Dynastie der Aubyns. Mein Betragen … hat diesen Ansprüchen nicht genügt. Jedenfalls ist das gesamte Vermögen an die Töchter gefallen – zurzeit nur an Katherine. Deshalb ist mein Erbe gefährdet. Die Besitztümer werden verwahrlosen. Ich habe nicht das Geld, um sie zu unterhalten oder instand zu setzen, und das ist allgemein bekannt oder wird es bald sein. Zusammen mit einigen anderen Tatsachen« – vor allem seinem Ruf – »hindert es mich daran, eine rasche Lösung für meine finanziellen Schwierigkeiten zu finden, wie zum Beispiel …«
    »… eine Amerikanerin zu heiraten«, sagte Nell. »Eine mit Geld, wie das Weibsstück von dem Churchill.«
    »Genau, wie das Weibsstück von dem Churchill.« Sie gebrauchte so fabelhafte Wörter. »Sie sehen also, ich bin …«
    »… ganz schön im Arsch.«
    Die Worte, ihre heiße, sofortige Wirkung, trafen ihn unvorbereitet. Simon presste die Lippen aufeinander und sah sie von oben nach unten an. »Hmm.« Es gab so viele mögliche Erwiderungen. So viele Hemmungen seinerseits.
    »Exakt«, sagte er beim Ausatmen. »Durch Ihr wunderbares Wiederauftauchen bieten sich allerdings …« Er lächelte. »Andere Möglichkeiten. Ich kann Ihnen helfen, Ihren Platz in dieser Welt zurückzufordern, Nell. Aber es muss sich auch für mich auszahlen.«
    »Und wie soll das gehen?«
    Merkwürdig, dass er ihren Tonfall und ihre Miene immer noch nicht lesen konnte. Er war daran gewöhnt, Menschen zu verstehen. Oft verstand er sie sogar besser als sie sich selbst.
    Natürlich hätte Simon ihre Unergründlichkeit auf einen Mangel an Tiefe zurückführen können, aber während ihrer kurzen Bekanntschaft hatte sich etwas anderes gezeigt. Andererseits verstand er sie vielleicht nicht, weil ihre Tiefe so fremd, so absolut Unterschicht war. Ohne sie über längere Zeit bloßzulegen, könnte er kaum darauf hoffen, sie je zu begreifen.
    Tja. Anscheinend war er zu einem Snob geworden, was seinen nächsten Satz umso absurder machte.
    »Das ist ganz einfach«, sagte er. »Heiraten Sie mich.«

5
    Hinter Glas sah die Welt ganz anders aus. Nell presste die Stirn an das Fenster, und die goldenen Troddeln, die vom hochgerafften Rouleau herabbaumelten, kitzelten sie im Gesicht. Nach dem Regen in der letzten Nacht war die Straße von Pfützen gesäumt, und im Vorbeifahren spiegelte sich darin Nells blasses Gesicht, das aus dem auf Hochglanz polierten Gefährt blickte. Die Kutsche war riesig und schwarz wie ein Ungeheuer und wurde von vier kräftigen Pferden mit stahlgrauem Fell gezogen.
    Mit der Handfläche fuhr Nell über die polierte Täfelung und hielt sich an einer in Samt eingeschlagenen Handschlaufe fest. Sie flogen geradezu über die Straßen. Nell fühlte sich wie schwerelos. Von der Erde befreit trieb sie in Düften von geöltem Leder, poliertem Holz und einer waldigen, männlichen Note. St. Maur, der gegenüber saß, roch genauso, wie sie sich immer einen Wald vorgestellt hatte. In Nottingham oder im schottischen Hochland. Dunkel, mit dem Hauch von etwas Wildem.
    Möglichkeiten, Möglichkeiten. Wirbelnd kreisten sie in Nells Kopf umher, auch wenn sie noch sosehr versuchte, sich auf das Ziel zu konzentrieren.
    Sie war nicht einmal hoffnungsvoll. Nur verwirrt. Das hier konnte nicht real sein, nichts davon.
    »Wir sind fast da«, sagte St. Maur. Nell lehnte sich in ihrem Sitz zurück und klammerte sich jetzt an einen Knopf, der auf dem weinroten Lederpolster unter ihr festgenäht war. St. Maur war hingegen ziemlich real. Unter der Krempe seines Seidenzylinders wellte sich das dichte, tintenschwarze Haar unordentlich an den Schläfen. Einen Arm auf der Rückenlehne seines Sitzes ausgestreckt, die langen Beine lässig übereinandergeschlagen, sah er sie an. Sein Mund lächelte, und seine Augen waren wachsam. Keine gute Kombination, um das Vertrauen eines Mädchens zu gewinnen.
    Sie war die echte Tochter eines Earls, hatte er gesagt.
    Irrsinn.
    Aber warum sollte er lügen?
    Die Vorstellung war wie ein Feuerwerkskörper, der wieder und wieder in ihrem Kopf

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