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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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der ihre Haut nur durch die Berührung seines Daumens in Flammen aufgehen ließ. Mit einem einzigen Finger übte er magische Gewalt aus, indem er ihr langsam und intim die Handfläche rieb.
    Es war mörderischer als ein Schlag mit der Faust. Zuerst hatte er ihren Körper dazu überredet, sich mit ihm zu verbünden, und jetzt bat er ihre Vorstellungskraft, sich der Verschwörung gegen sie anzuschließen. Ihr Begehren, ihr Ehrgeiz und er: Sie konnte nicht gegen alle kämpfen. Sie war sich selbst zum Feind geworden.
    Dieser Gedanke traf sie wie ein Messerstich. Sie sah ihm in die Augen. Sie würde nichts fühlen. Sie würde wach bleiben. »Ich bin nicht schwach. Sie irren sich, wenn Sie das glauben.«
    »Nicht schwach«, murmelte er, »aber die Hornhaut auf Ihrer Hand erzählt eine Geschichte. Ihre Zeit hat nicht Ihnen gehört. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, Ihren Weg selbst zu bestimmen, Nell. Keinen Anweisungen folgen zu müssen. Ich kann Ihnen das ermöglichen.«
    Solch ein Versprechen konnten nicht viele machen. Und sie hatte keinen Zweifel, dass er es halten könnte.
    Er hob ihre Hand zu seinem Mund. Seine Lippen schlossen sich über ihren Fingerknöcheln, aber Nell spürte es überall, eine flüssige Wärme, die sie schwach machte.
    »Die Meinung der Welt ignorieren zu können«, flüsterte er an ihrer Haut. »Oder neue Meinungen für sie zu schaffen.« Dann hob er ihre Hand noch etwas höher und legte ihre Handfläche auf seine Wange. »Eine berauschende Droge«, sagte er, und für einen verwirrenden Augenblick dachte sie, er meine die Empfindung seiner frisch rasierten, heißen und glatten Haut.
    Es war merkwürdig, eine Frau seine Wange berühren zu lassen. Sie starrte auf ihre Hand, die er an sich gepresst hielt. Eine Frau würde den Geliebten so berühren, um ihm wahre und zärtliche Zuneigung zu zeigen.
    Der Gedanke versetzte sie in Panik. Er verführte sie nicht nur mit seinem Körper, sondern außerdem mit falschen Hoffnungen.
Sieh dich an
, sagte seine Geste,
du berührst mich, als ob wir einander liebten.
Was für eine grausame Art, sie in Versuchung zu führen. Was für eine böse, heimtückische Strategie. Sie kannte sich, und sie kannte auch Typen wie ihn: Normalerweise traf man sie in einer Seitengasse, nachdem das Geld übergeben worden war.
    Mit einem Ruck riss Nell die Hand weg. »Sie wissen, dass ich eine Diebin war?«
    Der Wirkung ihrer zornigen Worte auf sein Lächeln nach zu urteilen, hätte er auch taub sein können. »Das habe ich mir gedacht«, sagte er, »als mein Taschentuch im Besitz Ihrer Freundin endete.«
    »Das Taschentuch war gar nichts! Ich hätte mehr gestohlen, wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte. Ich hätte die Ringe von Ihren Fingern entwendet!«
    »Aber das wird jetzt nicht mehr nötig sein.« Er hielt einen Augenblick inne. »Macht Ihnen das Angst?«
    »Nein«, flüsterte sie. Diebstahl machte ihr keine Angst. Sie wusste genau, wo die Risiken lagen. St. Maur machte ihr Angst. Diese Gefühle, die er in ihr weckte … die Träume, die zu träumen er sie verleitete.
    »Wenn Ihnen etwas Angst macht«, sagte er, »dann ist das der beste Ausgangspunkt für einen Neuanfang.«
    Prickelnd überlief sie erstauntes Erkennen. Ja, das war richtig. Wenn man vor seinen Ängsten wegrannte, kamen sie nur immer schneller hinterher.
    Nell zwang sich dazu, noch einmal das Gemälde des letzten Earls anzusehen, Paton Park im Hintergrund.
    Feiglinge rannten vor ihren Ängsten davon, aber nur ein echter Narr floh vor der Wahrheit.
    Langsam holte sie Luft. Ihr war etwas schwindelig, als würde sie taumelnd am Rand eines Abgrunds stehen. »Sagen Sie ehrlich. Glauben Sie wirklich, dass ich dieses Mädchen bin?«
    »Ja«, sagte er. »Und Sie tun das auch.«
    An diesem Abend, etwa eine Stunde bevor Polly das Tablett mit dem Abendessen brachte, schickte Nell Sylvie in die Bibliothek nach einem Buch, das nicht existierte, und schloss die Tür ab.
    Die Sonne war gerade untergegangen, und das Schlafzimmer lag in matten, blauen Dunst getaucht. Das trübe Licht passte zu ihrer Stimmung. Sie riss ein Streichholz an und entzündete eine einzelne Kerze, bevor sie sich vor das Bett kniete.
    Sie hatte gar nicht vor zu beten, aber die Haltung erinnerte ihren Körper an Hunderte von Sonntagen, die sie unter Mums wachsamem Blick im Knien verbracht hatte. Einen kurzen Augenblick zögerte sie, dann stellte sie den Kerzenhalter neben sich. Ihre Hände zitterten, als sie sie vor der Brust faltete. Und dann, im

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