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Eine Parkuhr fuer mein Pferd

Eine Parkuhr fuer mein Pferd

Titel: Eine Parkuhr fuer mein Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Sakowski
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sich nebeneinander in den Graben und ruckten und hoben und drückten und schoben. Das kleine Fahrzeug wackelte und schaukelte, rutschte voran und wieder zurück, ein Stück von der Grabenkante brach ab, die Tür sprang auf, das Walkie-talkie fiel heraus, Hans schlug die Tür wieder zu, klemmte Andreas den Arm – kurz, trotz verzweifelter Anstrengungen bekamen sie den Wagen nicht frei.
Als sie schließlich mit nassen Füßen aus dem Graben kletterten, sahen sie einen großen Wagen herankommen.
„Den halten wir an!“ rief Andreas. „Der muß uns rausziehen!“ Er stellte sich mitten auf die Straße und winkte mit beiden Armen. Der Wagen hielt. Eine stark geschminkte ältere Dame saß am Steuer.
„Was ist passiert, meine Herren?“ fragte sie mit näselnder Stimme. „Haben Sie eine Panne? Oh, ich sehe ja, Ihr Wagen ist in den Graben gerutscht. Nein, so ein Pech aber auch! Ist wohl Alkohol im Spiel, was?“
„Keinesfalls, meine Dame“, antwortete Andreas, „ich war eine Sekunde unaufmerksam, und da war es schon passiert. Hätten Sie wohl die Freundlichkeit uns herauszuziehen?“
„Wie das?“ fragte die Frau. „Ich bin nicht mehr die Jüngste, dazu reichen meine Körperkräfte nicht.“
„Sie sollen uns nicht mit Ihren Körperkräften helfen, sondern mit den Kräften Ihres Autos“, erklärte Hans.
„Oh, ich verstehe“, näselte die Dame. „Sie binden Ihr Wägelchen mit einem Seil bei mir hinten an, ich fahre los, und schwupp! ist es wieder auf der Straße!“
„Ja, so haben wir uns das gedacht!“
„Na schön, meine Herren, fangen wir an. Ein Seil haben Sie doch hoffentlich! Und entschuldigen Sie bitte, wenn ich nicht aussteige, ich bin sehr schlecht zu Fuß.“
Andreas klaubte ein Nylonseil unter dem Gepäck auf der Rückbank hervor und befestigte ein Ende an der vorderen Stoßstange der Ente, und Hans knotete das andere Ende am Abschleppring des großen Wagens fest.
„Sind Sie soweit?“ fragte die Frau. „Kann ich anfahren?“
„Moment noch!“ bat Andreas. „Ich klappe an der Fahrerseite das Fenster rauf, greife durch und versuche zu steuern. Wenn Sie dann bitte ganz vorsichtig Gas geben wollen, weil ich ja nebenhergehe. So, jetzt, bitte!“
Da heulte der Motor des großen Wagens auf, die Frau ließ die Kupplung kommen, und der Wagen rollte – rückwärts.
„Halt!“ schrie Andreas erschrocken. „Sie haben den Rückwärtsgang drin!“
Vorne wurde geschaltet, es knackte und ruckte, der Motor heulte in den höchsten Tönen, war plötzlich still und lief nicht mehr. Andreas warf Hans, der hinter der Ente stand, um zu schieben, einen vielsagenden Blick zu.
Die alte Dame rief: „Hoppla!“ und ließ den Anlasser so lange schnurren, bis die Batterie fast ihren Geist aufgab. Endlich sprang der Motor wieder an. Aus dem Auspuff quollen dicke graue Wolken. „So“, rief sie, „nun wird es gehen! Ich habe mich eben wohl ein bißchen verschaltet. Passen Sie auf, ich fahre!“
Und sie fuhr! Es gab einen Ruck, Andreas flog zur Seite, und die Ente hüpfte auf die Straße und hinter dem graugrünen Wagen her. Da sie aber führerlos war, pendelte sie von einer Straßenseite zur anderen. Die Frau vorne schien das gar nicht zu merken.
„Halt!“ schrie Andreas. „Bleiben Sie stehen!“
Da wurde der große Wagen abrupt gebremst, und die Ente prallte gegen ihn.
„Die Oma sollte man nicht mehr ans Steuer lassen!“ schimpfte Andreas. „Die fährt ja kriminell.“ Er löste das Seil und besah sich den Schaden. Die Stoßstange der Ente hatte einen Knick bekommen, dem großen Wagen hingegen sah man nichts an.
„Vielen Dank auch!“ sagte Hans, indem er bei der Dame ans Seitenfenster klopfte. „Ohne Ihre Hilfe hätten wir es nicht geschafft.“
„Keine Ursache“, antwortete sie. „Man hilft ja gerne, wenn man kann.“ Sie nickte Hans zu und schaltete in den ersten Gang. Das heißt, sie wollte in den ersten Gang schalten, erwischte aber den dritten und würgte den Motor ab. „Verdammter Mist!“ fluchte sie, und das war nicht genäselt, sondern klang wie die Stimme eines betrunkenen Seemannes. Sie bemühte sich, den Motor wieder zu starten, hatte aber lange keinen Erfolg, da der Gang immer noch eingelegt war. Bei den heftigen Bewegungen, die sie dabei im Wagen ausführte, verrutschte ihre graue Perücke, und darunter kam kurzgeschnittenes schwarzes Haar zum Vorschein. Endlich begriff sie, was sie falsch machte, brachte den Motor in Gang und rollte davon.
„Das ist vielleicht ’ne komische Type, was?“

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