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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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änderte Daisy Smith ihren Namen noch einmal. An einem kalten, toten Tag mitten im Winter wurde sie Daisy Thirst. Zwei Diebe waren Trauzeugen.
    Es regnete, erzählte mir George Holmes. Er hatte dafür gesorgt, daß der Generalstaatsanwalt mich mandatierte. Das war eine große Ehre. George kam zu dem Treffen und lud mich hinterher auf eine Tasse Tee ein, um mir von der Hochzeit zu erzählen.
    »So sind diese Gangster nun mal – sie bohren sich in das Leben anderer Leute, um sie zu betrügen und zu zerstören. Sie können nichts dagegen machen, sie sind eben Krankheitsüberträger. Wenn’s nach mir ginge, würde ich ihm beide Hände abhacken lassen wie in Saudi-Arabien. Das macht dort ein Profi, ein Chirurg. Sie schnallen den Verbrecher fest, betäuben ihn örtlich, sägen die Hand ab, und dann werfen sie sie in den Abfall für die Krankenhaushunde. Ich würde gern Thirsts Gesicht sehen, wenn die so was machen. Sie wahrscheinlich auch.«
    Danach traf ich mich ziemlich oft mit George. Ich wurde Ankläger, bekannt für die kalte Leidenschaft, mit der ich meine neue Rolle ausfüllte. George Holmes hatte noch nie so viele Verurteilungen zu verbuchen gehabt. Ich war mitverantwortlich für seine raschen Beförderungen, und Commander Holmes vergaß einen Freundschaftsdienst nie. Er hätte mir viel über Daisy und Thirst erzählt, wenn ich es zugelassen hätte. Aber nach der Hochzeit wollte ich nichts mehr davon hören.
    Wie jeder andere Mutant des zwanzigsten Jahrhunderts schaute ich mich nach Alternativen um. Kurze Zeit gab ich vor, schwul zu sein. Ich ging in Bars, in denen Männer mit gebrochenem Rückgrat wie ich mit Fummeltunten, Strichjungen und Freunden des Milieus verkehrten. Ein älterer Stammgast, der sich mit mir anfreundete, drückte es folgendermaßen aus: »Bloß weil du Angst vor der Liebe hast, bist du noch lang nicht schwul.«
    Sein scharfer Verstand gefiel mir. Während andere allerorten Homosexualität diagnostizierten, sagte er, daß der Club seine Größe nicht wesentlich verändert habe.
    »Und was ist dann ein Homosexueller?«
    »Ganz einfach. Mich faszinieren die Erektionen anderer Männer, seit ich denken kann. Das kann nur eine Ablenkung sein oder auch aufregend oder zärtlich; manchmal finde ich sogar Liebe. Aber schwul zu werden hilft dir nichts. Deine Wunden heilen nicht, auch wenn du dich zwingst, einen von den armen Burschen hier zu bumsen.«
    Nach ein paar Monaten stellte ich fest, daß das für viele Dinge galt: für Buddhismus, Alkohol, Tauchen, organisierte Singlereisen nach Kreta, Yoga, drei Nachmittage mit einem katholischen Priester, Kokain von einem Freund bei der BBC, sexuelle Abenteuer, die in beiderseitigem Einvernehmen ohne gefühlsmäßige Beteiligung stattfanden. Ich versuchte es mit Fallschirmspringen, mit Arbeit, fragte mich, wie es wohl wäre, ein alleinerziehender Vater zu sein, und wie man das anstellte. Ich fand heraus, daß ich mich auf alles konzentrieren und nichts länger machen konnte. Ich konnte in Panik ausbrechen, wenn eine Freundin nicht anrief, und sofort in tiefste Langeweile sinken, wenn sie sich dazu entschloß. London ekelte mich an, doch ich entwickelte Ängste, es zu verlassen. Jede Nacht wachte ich gegen drei Uhr auf, weil ich mich im Schlaf mit Daisy gestritten hatte. Allein zu schlafen war unerträglich; das gleiche galt für die Gesellschaft eines anderen Menschen in meinem Bett.
    Ganz allmählich begann ich, meine Krankheit auch bei anderen zu entdecken, obwohl ich nicht sagen konnte, wie sie hieß. Das Leben kann immer schiefgehen. Die Persönlichkeit, die einem gestern noch so nützlich war, kann über Nacht verschwinden. Wenn man am Morgen die Hand danach ausstreckt, ist sie weg. Der Mann im Spiegel ist zu einem Niemand geworden, zum Opfer eines neuen Leidens, das vor zwanzig Jahren noch niemand kannte. Es kann alle befallen. Vater oder Mutter zu sein ist kein Hinderungsgrund, und auch Geld, Jugend oder Sex-Appeal helfen nicht dagegen.
    Ich gestand mir meinen nagenden Hunger ein. Er war immer schon dagewesen, und jetzt, da ich wußte, daß ich keine Möglichkeit hatte, ihn zu stillen, begriff ich, wie dieser Hunger beschaffen war. Ich wollte nicht Daisy zurück, sondern den Menschen, der ich mit ihr zusammen gewesen war.

TEIL DREI

[33]
    Als George Holmes an jenem Dienstagmorgen zu uns kam, um Daisy festzunehmen, wußten die beiden Beamten, die er dabeihatte, wer ich war, und sagten öfter als nötig »Sir« zu mir. Im Ausgleich dafür gingen sie

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