Eine private Affaere
hab’ das herausgefunden. Wenn jemand eine verdrehte Psyche hat, ist auch alles andere verdreht. Mein Mann hätte nicht mal ehrlich sein können, um sein Leben zu retten.«
Carlford nickte. »Aber trotzdem haben Sie einige Jahre zusammengelebt?«
Ich zuckte bei der Beschreibung ihres gemeinsamen Lebens zusammen. Sie tranken billigen Apfelwein und schliefen die ganze Zeit miteinander. Sie war immer noch verletzt und angeschlagen durch den Tod ihrer Mutter und die Trennung von mir und suchte Trost im Sex. Ihre merkwürdige amerikanische Psychologie, die er anfangs so exotisch gefunden hatte, verwirrte ihn schließlich und machte ihn wütend. Als sie sich einmal nach dem Geschlechtsverkehr befriedigt zu ihm umwandte, stellte sie fest, daß er sie emotionslos und voller Neugier betrachtete.
»Verdammt, manchmal bist du wirklich zum Kotzen, Yankee.«
Das war ein früher Hinweis auf die Gewalttätigkeit, die in ihm schlummerte.
Carlford wollte noch eine Weile über Thirsts Charakter und seine persönliche Geschichte reden. Mit Daisys Hilfe malte er ein Bild von Thirst, das allen glaubwürdig erschien. Er zeigte uns seine frühen, ehrgeizigen Versuche, zu denen er durch mich angespornt worden war. Eine juristische Laufbahn mußte ihm natürlich verwehrt bleiben, aber er sah nicht ein, warum er aufgrund seiner Vergangenheit auch keinen Zugang zu anderen Berufen haben sollte. Egal, was die Liberalen sagten, die treibende Kraft im Land waren sie jedenfalls nicht. Daisy beschrieb seinen deprimierenden Weg von mutigem Optimismus zu Verzweiflung und Wut mit aufrichtiger Trauer. Er schrieb fünfhundert Bewerbungen (sie reichten von der Sozialarbeiterausbildung bis zum Redaktionsassistenten, vom Transportkoordinator für einen Kurierdienst bis zum Herausgeber einer monatlichen Zeitschrift für Exsträflinge), wurde zweimal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und war dann vor Aufregung fast gelähmt.
Er hielt zwei Jahre lang durch, dann begann er zu den merkwürdigsten Zeiten zu verschwinden und mit Geld in den Taschen nach Hause zu kommen. Die weinerliche Verzweiflung, die ihn immer stärker beherrscht hatte, machte nun einer inneren Anspannung Platz, die sich entlud, wenn er zuviel trank – was ziemlich häufig passierte.
»Und welche Auswirkungen hatte diese Veränderung auf Sie?« fragte Carlford mit sanfter und respektvoller Stimme.
»Anfangs habe ich sie begrüßt«, antwortete Daisy. »Ich habe mir gedacht, nun, selbst wenn er etwas Unehrliches macht, tut er doch zumindest was. Und endlich hatte er seinen Zorn gefunden. Er war nicht mehr nur das passive Opfer.«
»Und haben Sie diese Veränderungen später auch noch begrüßt?«
Daisy schwieg einen Augenblick, bevor sie etwas sagte. »Nicht mehr, als er angefangen hat, mich zu schlagen – nein, da nicht mehr.«
Carlford beschäftigte sich ausführlich mit diesem Aspekt. Gewalt und die Angst davor waren für die Anklage ein offensichtliches Motiv, und es war üblich, daß der Verteidiger dem Ankläger den Wind aus den Segeln nahm, indem er in der eigenen Befragung das ans Licht beförderte, was sonst in schädlicherer Form vielleicht im Kreuzverhör herauskam. Doch Carlford ging noch viel weiter. Er schien fasziniert von Thirsts Sadismus.
Mir war aufgefallen, daß der Richter Monkson immer gereiztere Blicke zuwarf, während dieser sich Stichpunkte für das Kreuzverhör notierte. Plötzlich schien Monkson aufzuwachen. Er warf Carlford einen argwöhnischen Blick zu und wurde rot, als er merkte, daß er allmählich Einspruch erheben mußte. Diesmal erhob er sich langsam, halbwegs kontrolliert. Carlford setzte sich.
»Euer Ehren, ich muß gestehen, daß ich diesen Teil der Vernehmung nicht verstehe. Mein Freund scheint ein Mordmotiv für seine eigene Mandantin zu konstruieren.«
»Ja, das ist verwirrend, da stimme ich Ihnen zu«, sagte der Richter. Die Kälte, mit der er dies sagte, ließ darauf schließen, daß er alles andere als verwirrt war.
»Euer Ehren«, fuhr Monkson fort, »ich möchte nur ungern einen meiner Kollegen mit der Erfahrung und dem Ruf meines gelehrten Freundes kritisieren, aber …«
Ich merkte, wie die Besucher auf der Galerie in Erwartung einer neuerlichen Fehlleistung den Atem anhielten. Ich hatte Mitleid mit ihm. Carlford hielt sich peinlich genau an die Regeln, allerdings mit der Gerissenheit eines Fuchses. Der Einspruch war ziemlich schwierig zu formulieren, und Monkson war nicht der richtige Mann dafür.
»… aber
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