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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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…«
    »Ja?« fragte der Richter.
    »Ich meine, warum macht er das?«
    Der Richter schüttelte den Kopf über Monkson wie über ein Kind, das versagt hatte. Dann warf er Carlford einen kühlen Blick zu, der sich wieder erhob.
    »Nun, Sir Simon Carlford, warum machen Sie das?«
    Carlford sah den Richter mit unverhohlener Verachtung an. »Eure Lordschaft kennen die formalen Voraussetzungen für einen Einspruch. Nichts von dem, was mein Freund gesagt hat, entspricht diesen formalen Voraussetzungen. Und was die Frage von Eurer Lordschaft anbelangt – nun, ich versuche, den Fall meiner Mandantin mit allen beruflichen Mitteln darzulegen, die mir zur Verfügung stehen. Ich nehme an, daß Eure Lordschaft nichts dagegen einzuwenden haben? Schließlich ist dies hier ein Geschworenenprozeß, und von den Geschworenen wird verlangt, daß sie sich ein Urteil über die Fakten ohne die Einmischung der Anwälte bilden.«
    Diesmal war ein lautes Aufkeuchen von der Besuchergalerie zu vernehmen. Doch der Richter, ein alter Hase, wußte, daß Carlford gewonnen hatte. Man konnte ihm nicht nachsagen, daß er die Sache der Anklage förderte, auch wenn sie von einem inkompetenten Vertreter repräsentiert wurde.
    »Nun gut, Sir Simon Carlford, bitte fahren Sie fort.« Der Richter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Finger ineinander verschränkt, den Mund verkniffen.
    Carlford nickte einmal kurz, als nehme er ein unvermeidliches Zugeständnis von einem unterlegenen Spieler zur Kenntnis, und wandte sich wieder Daisy zu.
    Feinberg hatte sie gut vorbereitet; mit einem Minimum an Adjektiven beschrieb sie das letzte Jahr ihres Zusammenlebens. Ihr Erzählstil war ganz anders gewesen, als Feinberg sie das erste Mal gezwungen hatte, sich an diese Schrecken zu erinnern.
    Das war kurz nach Erhebung der Mordanklage gegen sie gewesen. Feinberg hatte ihr klargemacht, daß sie alle Grausamkeiten Thirsts detailliert und gleichzeitig zurückhaltend beschreiben mußte – vor allen Dingen durfte sie nicht die Selbstbeherrschung verlieren, was häufig passierte, wenn man diese Erinnerungen zum erstenmal im Zeugenstand wieder zuließ.
    »Also, raus mit der Sprache«, hatte Feinberg damals gesagt.
    Wir saßen auf der anderen Seite des Schreibtischs. Ich sah Daisy an. Sie wirkte verwirrt. Nach kurzem Schweigen sagte Feinberg mit geschürzten Lippen: »Sieht fast so aus, als müßte ich Ihnen helfen. Fangen wir mit dem Analverkehr an – die meisten Kriminellen üben ihn zwanghaft aus. Hat weh getan, was? Haben Sie geblutet?«
    Daisy wurde blaß, starrte ihn ein paar Sekunden an und sprang auf. Dann rannte sie aus dem Büro.
    »Feinberg, Sie Schwein«, sagte ich, bevor ich ihr nachrannte. Ich packte sie am Arm, als sie gerade die Glastür zur Straße aufstoßen wollte. Sie starrte mich an.
    »Gehn wir was trinken«, sagte ich.
    »Sorry«, sagte sie, nachdem sie ihren Brandy getrunken hatte. »Auf so was war ich heute morgen noch nicht gefaßt.«
    »Natürlich nicht. Er ist ziemlich grob und obendrein pervers. Aber er hat seine Methoden. Im Grunde hat er recht.«
    »Ich weiß. Aber ich kann ihm nicht Sachen erzählen, an denen er sich sadistisch ergötzt – Sachen, die ich nicht mal dir erzählt habe.«
    »Warum fängst du dann nicht damit an, daß du sie mir erzählst?«
    Sie sah mich einen Augenblick an.
    »Es ist leichter, wenn ich’s dir zeige. Irgendwie kann ich mir’s nicht vorstellen, daß ich die Sachen beschreibe, und du schaust mich dabei an. Wir nehmen ein Taxi. Wenn wir dein Auto nehmen, schlagen sie es kurz und klein.«
    »Ein Taxi wohin?«

[38]
    Sie gab dem Fahrer eine Adresse in Hackney. »Chaucer House im Sunningdale Estate.«
    Sunningdale Estate war so etwas wie ein riesiger vertikaler Schlafsaal, ein Slum von Anfang an, in dem eine entmenschlichte Arbeiterschaft schlafen und kopulieren konnte, eine von vielen Wohnanlagen, die man in den sechziger Jahren hastig hochgezogen hatte. Die meisten der Gebäude standen jetzt leer. Die Bauten waren so billig, der Beton so schlecht gewesen, daß sogar nach den Maßstäben von Hackney niemand mehr hier leben konnte. In einem Lift, in dem es nach Urin stank, brachte sie mich in den fünfundzwanzigsten Stock von Chaucer House.
    »Woher weißt du, daß wir reinkönnen?«
    »Garantiert hat jemand das Schloß aufgebrochen«, sagte sie. Als wir die paar Schritte den Flur hinuntergegangen waren, meinte sie dann: »Siehst du.« Die Wohnungstür von 25-D hing in den Angeln. Ich folgte ihr in die leere

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