Eine Reise beginnt
ohne erst einmal zu sehen, wen die Fahn da angriffen hatten! Wenn er an Lihn dachte, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er wusste selbst noch gar nichts über dieses mächtige und doch so schwache Wesen. -
Trotz unserer Unsicherheit mussten wir weitermachen. Wir stiegen in diesen Höhleneingang ein und durchquerten etwa eine Stunde lang einen von vielen tausend kleinen spiegelartigen Kristallen besetzten Gang. Irgendwann begann einer unserer Mitstreiter ein paar Kristalle abzumachen. Er sagte sie seien für seine Frau daheim. Plötzlich taten es ihm alle anderen nach. Bis wir den Gang durchquert hatten, hatte jeder seinen Rucksack voller Kristalle gefüllt.
Wir kamen in einer großen Grotte heraus und uns verschlug es den Atem:
Die Grotte hatte einen kleinen Eingang durch den hauchdünne, aber wahnsinnig viele und intensive Lichtstrahlen einfielen. Auch dieser Raum war komplett mit diesen Kristallen, die nicht größer waren als unsere Fingernägel ausgekleidet. Die Lichtstrahlen fingen sich in diesen vielen Spiegeln und webten so ein feines Gespinst aus Licht durch das wir jetzt traten.
Ich werde diesen Anblick niemals mehr in meinem ganzen Leben vergessen.
Plötzlich formten sich silbrige Schatten aus den Lichtlinien und kamen auf uns zu. Obwohl kein Wort gesprochen wurde wussten wir, dass wir angeklagt wurden. Wir hatten ein furchtbares Wehklagen in den Ohren und wir schrien in den Raum hinein:
„ Aufhören! Aufhören!“
Doch sie hörten nicht auf.
Bart war der erste, der auf die Kristalle an der Wand und auf dem Boden zuschlug. Für kurze Zeit verstummte das Wehklagen um nur intensiver und grausamer wieder ein zusetzten. Panik ergriff uns. Wir hatten einfach Angst vor diesen Geistern und wir zertrümmerten die ganze Grotte und alle Kristalle.
Als unser Verstand endlich wieder klar wurde, war der Gang, das Lichtspiel und die silbernen Schatten verschwunden. Wir standen in vielen kleinen Splittern und Scherben, die wir anfingen aufzuheben. Als wir jedoch merkten, dass aus dem Boden so etwas, wie schwarzes Blut quoll, da rannten wir zu der einzigen kleinen Öffnung der Grotte, zwängten und hindurch und liefen so weit wir konnten.
Koperian zitterte bei der Beschreibung.
- Vielleicht hatten die Fahn ein ganzes Volk auf einmal ausgelöscht! -
Wir wussten damals nicht, wie weit wir von unserem zu Hause weg waren. Es dauerte über ein halbes Jahr, bis wir mit Hilfe der dort lebenden Menschen über die Berge erst zu den Zwergen von Halbain und dann zu den Elfen von Dialihnén und schließlich zurück nach Kanriem gelangten. Heute weiß ich, dass wir in Traal gewesen waren und dass wir dort das Orakel von Hahm zerstört haben. Die Kultur der Menschen war völlig auf der Religion um das Orakel herum entstanden und durch dessen verschwinden ebenfalls dem Untergang geweiht. So konnten wir uns nun glorreich den Untergang zweier Welten zuschreiben, wobei nicht einmal geklärt worden war, wer die Fahnmänner umgebracht hatte.
Das bliebt bis heute, also zehn Jahre nach unserer Tat noch im Dunkeln und ich vermute, dass es das auch immer bleiben wird.
Der Elf rieb sich die Augen.
- Warum war er bloß aus Tasmanorb weggegangen? Warum erfuhr er dass alles? Warum musste er sich mit dem Schicksal anderer auseinander setzten, wo doch seines selbst so ungewiss war?
-
Er hasste diesen Moment. Er hasste dieses Zimmer und er hasste dass, was er gerade gelesen hatte.
Sahelan sah ihn fragend an. Die Fahn, die ihn um einen Kopf überragte schien so unschuldig und doch so gefangen in ihrem Schicksal. So wie Koperian in seinem.
Der Elf atmete tief ein und seufzte laut. Dann klappte er das Pergament zu und wühlte wieder in dem Staub der Jahrhunderte. Dann hatte er gefunden, was er suchte:
Kavromir ist mein Name und ich bin der Schreiber, ...
Ich möchte von dem schwärzesten Tag in unserer Geschichte sprechen, abgesehen von dem Tag der Tat.
Uns war lange schon aufgefallen, dass keiner von uns über das Geschehene zu sprechen vermochte. Keiner konnte auch nur Lippen, Finger oder gar den Körper kontrolliert benutzen um mitzuteilen, was damals in der besagten Vollmondnacht geschehen war.
Fest stand nur, dass wir seit damals keine Kinder mehr zeugen konnten und wir Männer durch eine unheilvolle Krankheit begannen, schnell dahin zu siechen, so wie ich jetzt noch.
Wir Männer wussten jedoch, dass wir mit einem Fluch belegt worden waren, der uns allzeit für das bestrafen sollte, was wir
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