Eine Rose im Winter
bemühte sich übereifrig, Erienne wieder richtig auf ihre Beine zu stellen und die Pakete aufzuheben. »Nix passiert, sehn Se!«
»Wenn das so ist, wird Lord Saxton vielleicht noch mal nachsichtig sein.« Christopher zog erstaunt eine Augenbraue hoch und betrachtete Erienne prüfend von oben bis unten, worauf sie unter seinem Blick errötete. »Ich finde, das steht Ihnen gar nicht so schlecht.« Galant bot er ihr seinen Arm. »Madam, darf ich Ihnen vor diesem Haufen Rowdys meinen Schutz anbieten und Sie an einen sicheren Ort begleiten?«
Ohne von seinem Angebot Notiz zu nehmen, ging Erienne mit steifem Schritt durch die Gruppe der dumm glotzenden Seeleute und Freudenmädchen, die ihr den Weg frei gaben. Christopher folgte ihr, seine Reitgerte ungezwungen gegen sein Bein schlagend, während er das empörte Wippen ihres Rockes beobachtete. Ein zufriedenes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er beschleunigte sein Tempo, holte sie ein und versuchte, sich ihren lebhaften und ärgerlichen Schritten anzupassen.
»Daß Sie so eine Frechheit besitzen«, fuhr sie ihn an und warf ihm einen ungehaltenen Blick zu.
»Aber meine Dame?« sein Ton stellte ihre Behauptung in Frage, während seine Augen belustigt funkelten.
»Rücksichtslos über meinen Mann Lügengeschichten verbreiten!« bemerkte sie vorwurfsvoll und blieb stehen, um die Pakete, die sie bei sich hatte, besser tragen zu können.
»Karin ich Ihnen vielleicht meine Hilfe anbieten?« fragte er fürsorglich.
»Sicher nicht!« antwortete sie scharf und zuckte jäh, als ihr im nächsten Augenblick ein kleineres Päckchen entglitt.
Christopher fing es geschickt auf. Neugierig hielt er es vor seine Nase, um daran zu riechen und warf ihr dann einen fragenden Blick zu. »Parfüm für die Dame?«
Erienne riß es ihm aus der Hand. »Gewürze für die Küche … falls Sie das unbedingt wissen müssen, Mr. Seton.«
»Das beruhigt mich«, erwiderte er. »Der Geruch war auch ziemlich stechend, in nichts mit dem Ihnen eigenen Wohlgeruch zu vergleichen.«
»Wir sprachen über meinen Mann«, erinnerte ihn Erienne schnippisch.
»Genauso wie alle Welt. Es ist tatsächlich so, es genügt, nur seinen Namen zu erwähnen, damit auch dem Abgebrühtesten ein Angstschauer über den Rücken läuft.«
»Und Ihnen beliebt es, noch Öl in das Feuer zu gießen, durch Ihr törichtes Gerede von Geistern und Teufeln.«
»Es ging mir nur darum, den Seemann zu beeindrucken, auf daß er Sie freiließ. Ich wollte eine Prügelei vermeiden. Ich habe mir Ihr Missfallen eingehandelt, als ich mich gegen Ihren Bruder verteidigte, und um meinem Ruf nicht noch weiter zu schaden, habe ich dieses Mal nur mit freundlichen Worten und Warnungen gekämpft. Habe ich da etwas falsch gemacht? Hätten Sie es lieber gesehen, wenn ich den Mann, wie er es verdiente, vom Leben zum Tode befördert hätte?«
»Natürlich nicht!« rief Erienne verärgert aus.
Von ihrer Verwirrung belustigt, zog Christopher sie auf: »Bitte vielmals um Vergebung, daß ich nicht den tapferen Beschützer gespielt und Sie mit der Klinge in der Hand verteidigt habe.« Er sah sich um, als ob er jemanden suchen würde. »Ich dachte, Ihr Mann würde Sie an der Leine führen. Wo ist der Kerl überhaupt?«
»Er … ist nicht mitgekommen«, antwortete Erienne stockend.
»Tatsächlich?« Christophers Stimme ließ ganz unverhohlen einen Hoffnungsschimmer erkennen, als er sich umwandte und sie mit erwartungsvollem Blick musterte.
»Er muß woanders seinen Geschäften nachgehen«, fügte sie eilig erklärend hinzu.
»Und kann ich so vermessen sein, anzunehmen, daß Sie unbegleitet hierher gekommen sind?« fragte er gespannt.
»Aggie … ich meine, unsere Haushälterin hat mich begleitet.« Erienne blickte die Straße hinunter und hatte kein Verlangen, dem warmen und lustigen Glitzern in den graugrünen Augen gerade jetzt zu begegnen. »Sie muß hier irgendwo sein.«
»Und Sie meinen, Sie sind noch nicht bereit, Saxton Hall zu verlassen?«
Erienne warf vor Überraschung den Kopf in den Nacken und fixierte ihn.
Christopher lächelte liebenswürdig. »Lord Saxton ist mir gut bekannt. Sicher nicht der Mann, den eine junge, hübsche Frau zum Ehemann haben möchte.« Er sah das Aufblitzen in den blauvioletten Tiefen ihrer Augen, doch er fuhr unbeeindruckt fort: »Trotz Ihres unverhohlenen Hasses gegen mich, Erienne, glauben Sie nicht, daß Sie an meiner Gesellschaft mehr Gefallen finden würden als an dieser entstellten Karikatur von einem
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