Eine Rose im Winter
seiner dumpf wispernden Stimme, »und ich habe mir gedacht, daß Ihnen eine Einkaufsfahrt Vergnügen bereiten würde. Ich habe Aggie gebeten, Sie zu begleiten.«
»Werden Sie nicht auch mitkommen, Mylord?« fragte Erienne, kaum fähig, den hoffnungsvollen Ton in ihrer Stimme zu unterdrücken.
»Ich habe andere Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muß. Ich werde Sie nicht begleiten können.«
»Und was soll ich tun?«
»Nun, Madam, ich rechne damit, daß Sie den Tag damit verbringen, das einzukaufen, was Ihnen gefällt«, antwortete er in einem Tonfall leichter Überraschung. Er ließ einen kleinen Lederbeutel auf den Tisch neben ihr fallen, wo er mit einem satten Aufprall landete und Aufschluss über seinen reichen Inhalt gab. »Dies sollte für heute ausreichen. Sollte es etwas von größerem Wert geben, was Sie gerne haben möchten, so brauchen Sie nur Tanner Bescheid zu geben, der es notieren und später abholen wird.«
»Ich bin gewiß, Mylord, daß das mehr als genug sein wird«, versicherte Erienne ihm höflich und nahm den Beutel an sich.
»Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Aggie wird sicher schon ungeduldig auf Sie warten.« Er hielt eine Weile inne, bevor er hinzufügte: »Ich darf doch annehmen, daß Sie rücksichtsvoll genug sein werden, um Aggie nicht in Verlegenheit zu bringen …«
»Mylord?« Eriennes Stimme verriet ihr Unverständnis.
»Aggie würde sich Vorwürfe der Vernachlässigung ihrer Pflicht machen, falls etwas schief gehen sollte.«
Erienne spürte seinen gezielten Blick und senkte ihre Augen, während eine leichte Röte ihre Wangen dunkler erscheinen ließ. Die Tatsache, daß der Gedanke einer Flucht ihr schon mehr als einmal durch den Kopf gegangen war, machte es schwierig, seinem Blick standzuhalten und Unschuld vorzutäuschen. Sie nickte leicht mit schuldigem Respekt. »Sie wird sich keine Sorgen zu machen brauchen, Mylord. Ich werde von mir aus nicht weglaufen.«
»Dann ist's recht.« Er bewegte sich in seiner unbeholfenen Gangart zum Kamin und sah eine lange Weile in die Flammen, bevor er sich wieder ihr zuwandte. Seine Augen schienen hinter den schmalen Schlitzen aufzuleuchten, als er sie ansprach. »Ich werde auf Ihre Rückkehr warten, Madam.«
Sie erhob sich zögernd von ihrem Stuhl. »Dann kann ich also gehen?«
Er nickte zustimmend mit dem verhüllten Kopf. »Gewiß, Madam.«
Die Aussicht, einen ganzen Tag frei zu sein, erfüllte Erienne so sehr mit Freude, daß sie an sich halten mußte, um nicht davonzustürmen. So ging sie schnell, aber mit gemessener Zurückhaltung durch die Halle, während der Herr von Saxton Hall ihr schweigend nachsah.
***
Erienne fühlte in sich fast die erwartungsvolle Unruhe eines Kindes, als sie sich in die weichen Polster des Wagens lehnte und ihren Samtmantel dicht unter ihrem lächelnden Gesicht um sich zog. Wenn sie auch Aggies Anwesenheit daran erinnerte, daß sie nicht völlig frei war, so belebte das fröhliche Geplapper der Frau die Reise. Nach fast einer Woche der Ehe bedeutete die Möglichkeit, sich dieses Zwanges auch nur für kurze Zeit entziehen zu können, so etwas wie eine Atempause in der Hölle. Es war nicht so, daß Lord Saxton sie nicht gut behandelt hätte, im Gegenteil, trotz seiner furchterregenden Erscheinung hatte sie ihn nur als Gentleman kennen gelernt. Doch es hatte auch Zeiten gegeben, in denen sie sich vorgekommen war, als hätte man sie in einen Kerker geworfen, wo sie darauf wartete, daß die Folterungen begannen. Es war eine anstrengende und angespannte Woche gewesen, doch jetzt konnte sie sich wenigstens für einige Stunden erholen, ohne seine drohende Anwesenheit fürchten zu müssen.
Der Wagen fuhr langsam durch die engen Straßen von Wirkinton bis an das Gasthaus Zum Reifrock, wo er hielt. Tanner würde hier bleiben und bei Bedarf zur Verfügung stehen, während die Damen ein leichtes Mahl verzehrten und dann die in der Nähe gelegenen Läden besuchten.
Gestärkt von dem heißen Tee und dem Essen ging Erienne die Liste der benötigten Waren durch und machte sich dann mit Aggie an ihrer Seite ohne weiteres Zögern ans Werk.
In der selbstbewussten Art der Herrin eines reichen Hauses trat sie zu den verschiedenen Verkaufsständen und Läden, sah sich prüfend die nötigen Stücke an und feilschte dann so lange um den Preis, bis die Händler um Gnade baten. Sie hörte ihnen geduldig zu, wenn sie ihre Waren anpriesen, um dann jedoch ungerührt zu erklären, daß sie bei solch unangemessenem
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