Eine Rose im Winter
Haltung zu bewahren, als die Haushälterin zu ihr trat.
»M'am? Alles in Ordnung?« Aggie fragte mit ängstlicher Besorgnis, als sie das hochrote Gesicht ihrer Herrin sah, und ihre nächste Bemerkung war fast eine Untertreibung: »Sie sehn ein bißchen erhitzt aus.«
»Ja, natürlich. Mir geht's gut«, antwortete Erienne steif. »Es gibt hier nur zu viel Lumpengesindel, als daß es sich eine anständige Frau erlauben könnte, allein durch die Straßen zu gehen.« Sie warf einen Blick zurück, konnte jedoch kein Zeichen dieses lästigen Menschen mehr entdecken. Dank seiner Abwesenheit konnte sie wieder etwas klarer denken und sich allmählich entspannen. Ihre Stimmung war zu gereizt, um sich weiterhin mit Aufmerksamkeit den Einkäufen widmen zu können. »Sobald wir einen Kessel gefunden haben, würde ich gern nach Hause fahren.«
»Aber M'am, Sie hab'n doch noch gar nichts für sich selbst gekauft.«
»Lord Saxton war sehr großzügig. Ich weiß nichts, was ich vermissen würde.«
»Sehr wohl, M'am.«
Wenige Zeit später hatte sie einen Kochtopf gefunden und gleich gekauft, und als sie aus dem Laden heraustraten, mußte Erienne überrascht feststellen, daß der Wagen bereits in der Nähe wartete. Es schien, als ob sich durch seine Gegenwart die Straße mit einer Vielzahl von Zuschauern gefüllt hatte, die alle einen Blick erhaschen wollten, ohne sich das anmerken zu lassen. Einige Gruppen von Frauen steckten tuschelnd ihre Köpfe zusammen, doch sobald sie sie ansah, richteten sie sich schnell auf und musterten das Warenangebot eines Händlers in ihrer Nähe. Eriennes Verwunderung verschwand sofort, als sich die Wagentür öffnete und die von einem Mantel umhüllte Gestalt ihres Mannes herabstieg, um auf sie zu warten. Der peinlichen Stille auf der Straße und der vielen Blicke peinlich bewußt, eilte sie auf ihn zu. Bundy kam ihr entgegen und nahm ihr die Pakete ab, um sie hinten im Wagen zu verstauen. Sie atmete überrascht auf, als sie Lord Saxton gegenüberstand.
»Mylord«, sagte sie mit einem leichten Zittern in ihrer Stimme, »ich hatte nicht damit gerechnet, Sie hier zu treffen.«
»Ich hatte mit Mr. Jagger Geschäfte zu erledigen, und da er nach London weiterreiste, bat ich ihn, mir seinen Platz zu überlassen.« Er betrachtete sie einen Augenblick lang. »Sind Sie hier fertig, Madam?«
»Jawohl, Mylord.«
Er hob seinen Arm und versperrte dabei den Einstieg erheblich, während er seine Hilfe anbot. Erienne blickte erstaunt und stand wie angewachsen.
»Nehmen Sie meinen Arm, Madam«, bat er mit freundlicher Dringlichkeit. »Es wäre unziemlich, wenn Sie mich vor so vielen Leuten in Verlegenheit brächten.«
Sie unterdrückte ihren Widerwillen und legte ihre Hand zögernd auf den angebotenen Arm. Sie war überrascht, ihn unter seinem Mantel als wohlgestaltet und muskulös zu empfinden, und daß es ihr durchaus nicht unangenehm war, ihn zu berühren. Die Kraft, die sie gefürchtet, wenn auch nie angezweifelt hatte, bedurfte keines zusätzlichen Beweises. Eigenartigerweise ließ die Berührung mit ihm die Dinge weniger unheimlich erscheinen. Es schien ihr, als ob es ihr zum ersten Mal gelang, in ihm einen Mann aus Fleisch und Blut zu sehen und nicht ein kaltes, narbenbedecktes Wesen aus der Unterwelt. Seine andere Hand, die kurz auf ihrer Hüfte ruhte, stützte sie beim Einstieg in den Wagen.
Mit der Hilfe von Bundy kletterte Aggie auf den Wagen und nahm neben Tanner Platz, denn sie ließ mit Absicht das verheiratete Paar im Wagen für sich allein. Bundy drückte seinen massigen Körper neben die Frau. Aggie nahm es einen Augenblick den Atem, bevor sie erst dem einen und dann dem anderen mit ihrem Ellenbogen in die Seite stieß.
»Und ihr bleibt gefälligst auf euren Plätzen«, warnte sie. »Von so Kerlen wie euch lass' ich mich nicht einquetschen.«
Stimmengewirr wurde auf der Straße laut, als Lord Saxton einstieg. Er setzte seinen schweren Fuß auf die Stufe, ergriff mit seinem Handschuh die Innenseite der Türöffnung und zog sich in das Innere. Er ließ sich auf dem Sitz Erienne gegenüber nieder, und das Fahrzeug setzte sich schaukelnd in Bewegung. Als der Wagen die gepflasterte Ortsdurchfahrt hinter sich gelassen hatte und auf dem Sandweg entlangrollte, der zur Stadt hinausführte, hörte sie von Lord Saxton ein leises, unterdrücktes Lachen. Neugierig, was seine Heiterkeit ausgelöst haben könnte, sah Erienne ihn erstaunt an.
»Haben Sie etwas gemerkt, Madam?« Seine halb flüsternde,
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