Eine Rose im Winter
Mann? Ganz sicher lebt man in meinen Londoner Wohnungen sehr viel angenehmer als in einem kalten und zugigen Herrenhaus.«
»Und wie hoch, wenn Sie mir die Frage gestatten, wäre die Miete für eine solche Unterkunft?« fragte sie mit schneidendem Spott.
Er überhörte die höhnische Schärfe in ihrer Stimme. Und wäre nicht der Argwohn in seinen Augen gewesen, hätte man aus dem Lächeln auf seinem Gesicht sein tiefes Mitleid ablesen können. »Diese Frage kann ohne große Worte geregelt werden. Und obwohl die Worte wie Perlen aus Ihrem Munde klingen, meine Liebe, ist es dennoch nicht meine Absicht, mich mit Ihnen darüber auszulassen.«
Erienne wandte sich ab und lief so plötzlich mit langen Schritten davon, daß er eine schnellere Gangart einschlagen mußte, um ihr folgen zu können. Als er wieder auf ihrer Höhe war, empfing er einen geradezu tötenden Blick. »Ich wundere mich über Sie, ich wundere mich wirklich, Sir! Ich bin noch keine volle Woche verheiratet, kaum Zeit genug, um meinen Ehemann richtig kennen zu lernen …«
»Wenn überhaupt«, warf er leise ein.
»Und nichtsdestoweniger«, fuhr sie wütend fort, ohne seinen Einwurf zu beachten, »beleidigen Sie einen Mann, den Sie, darauf möchte ich wetten, überhaupt nicht kennen. Ich muß Ihnen mit aller Entschiedenheit sagen, daß sehr viel mehr an ihm ist, als die anderen sehen. Er hat mich freundlich und rücksichtsvoll behandelt, hat für jede nur denkbare Annehmlichkeit gesorgt und hat sich nie herabgelassen, mich so primitiv zu behandeln wie mancher andere, den ich hier nennen könnte.« Sie warf ihren Kopf wie ein feuriges, junges Füllen in den Nacken. »Er hat sich als außerordentlich wohlerzogen und zuvorkommend gezeigt.«
»Aber ich bitte Sie, meine liebste Lady«, lachte der unverbesserliche Frauenheld dicht an ihrem Ohr, »wie hätte er sich denn sonst zeigen können? Hat er Sie in seine Arme geschlossen und seine Manneskraft unter Beweis gestellt?«
Erienne sah ihm direkt ins Gesicht. Die geschmacklose Beleidigung ließ sie schwer atmen, und Hitze wallte in ihr auf. Ein kleines Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, als sein Blick sie liebevoll umfing.
»Ich versichere Ihnen, meine Liebe«, erklärte er mit sanfter Stimme, »daß ich meine Zeit nicht verschwendet hätte. Sie würden jetzt keinen Zweifel mehr an meiner Leidenschaft hegen können.«
Erienne stockte der Atem, und sie fühlte, wie heiße Glut in ihrer Brust emporstieg. »Sie … Sie … unausstehliches, flegelhaftes Miststück!« stammelte sie in wütendem Erstaunen. »Vor wenigen Augenblicken haben Sie mir noch vorgeschlagen, Ihre Geliebte zu werden, und jetzt treten Sie mir ganz offen mit Ihrer schamlosen Begierde gegenüber. Glauben Sie denn im Ernst, daß es mir mit meinem Gelöbnis nicht ernst ist? Es ist mir sehr ernst! Ich bin durch mein Wort fest gebunden! Und wenn Sie mir nur einen kleinen Gefallen erweisen wollen, mein Herr, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie aus meinen Augen verschwinden könnten und mich in Zukunft mit Ihrer Gesellschaft verschonten.«
»Ich habe die allergrößten Befürchtungen, daß mir das nicht möglich sein wird«, seufzte er, sich übertrieben entschuldigend. »Es ist Ihnen nicht nur gelungen, mein tiefinnerstes Verlangen für Sie zu wecken, Sie haben damit wahrscheinlich auch mein Herz erobert.«
»Wahrscheinlich! Mit größter Wahrscheinlichkeit! Ohhh!«
Erienne stieß böse mit ihrem zierlichen Schuh nach ihm, doch er sprang leichtfüßig beiseite und rettete lachend sein Schienbein vor dem Stoß.
»So viel Wildheit!« mokierte er sich.
»Verschwinden Sie endlich, Sie verdammter Lümmel! Verschwinden Sie, bevor es mir bei Ihrem Anblick übel wird!«
Ein breites Grinsen ging über Christophers Gesicht, als er sich mit einer weit ausholenden tiefen Verbeugung vor ihr produzierte. »Ihr Wunsch ist mir Befehl, Mylady. Da ich glaube, daß das Aggie ist, die sich da drüben die Augen nach Ihnen aussieht, werde ich Sie verlassen und mich meinen Geschäften zuwenden.«
Erienne fing einen flüchtigen Blick der Haushälterin auf, die sie tatsächlich zu suchen schien. Ärgerlich knurrend wandte sich Erienne von ihm ab, und fast kochte sie innerlich vor Wut, als sie seine letzte Bemerkung hörte.
»Sollte es der Dame belieben, ihre Meinung zu ändern, so liegt mein Schiff hier oder in London. Kapitän Daniels wird wissen, wo ich zu finden bin.«
Erienne versagte sich eine Erwiderung, hatte jedoch mit sich zu kämpfen, um ihre
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