Eine Rose im Winter
Mäntel ab. Man führte sie sofort in den Salon, wo der Baron und seine Frau auf sie warteten. Erienne war im ersten Augenblick von dem Reichtum der Einrichtung überwältigt, doch ihre Aufmerksamkeit wandte sich dem Baron zu, als dieser durch den Raum auf Lord Saxton zuschritt und ihm in herzlichem Willkommen seine knochige Hand entgegenstreckte. Seine kleine, sehr sorgfältig gekleidete Frau folgte ihm nur zurückhaltend, als ihr zögernder Blick auf den maskierten Mann fiel.
Der Baron war weißhaarig, von schlanker Gestalt und ging leicht vornübergebeugt. Die Zeichen des Alters konnte man nicht übersehen, doch seine rosigen Wangen, seine blitzenden blauen Augen und sein immer bereites Lächeln schufen ein Bild ewiger Jugend.
»Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Stuart, uns schon so bald nach Ihrer Hochzeit zu besuchen«, sagte er mit warmer Stimme. »Ich habe immer schon gehofft, Ihre junge Braut kennen zu lernen und jetzt, da sie vor mir steht, kann ich auch verstehen, was Sie in letzter Zeit in solch ein Fieber versetzt hat.«
Lord Saxton schob seine Hand unter den Arm seiner Frau. »Es scheint, daß das Fieber ansteckend ist. Auf jeden Fall mußten wir uns unterwegs mindestens eines Unholds erwehren, der sich angesteckt hatte.«
Der Baron zwinkerte mit den Augen, während er Erienne galant die Hand küßte. »Ich bin sicher, daß Stuart vergessen hat, Ihnen auch nur das Geringste über uns zu erzählen.«
»Stuart?« Sie sah ihren Mann unsicher an. »Es scheint, als ob es sehr viel gäbe, was er mir nicht erzählt hat.«
»Sie müssen ihm das nachsehen, mein liebes Kind«, bat der Baron schmunzelnd. »Da Sie ihn so bezaubert haben, hat sein Verhalten stark gelitten. Ich bin sicher, daß seine Mutter genauso entsetzt wäre wie Sie.«
Eriennes Überraschung verstärkte sich. Dies war der erste Hinweis ihr gegenüber, daß es noch andere lebende Saxtons gab, und sie zog fragend ihre Augenbrauen hoch, als sie sich an ihren Mann wandte. »Ihre Mutter?«
Lord Saxton drückte leicht ihren Arm. »Sie werden Sie zu gegebener Zeit kennenlernen, meine Liebe.«
»Sein Vater war für mich wie ein Bruder«, unterbrach ihn der Baron. »Sein Tod war eine ganz abscheuliche Sache, einfach abscheulich. Und natürlich das Niederbrennen des Hauses … eine bodenlose Gemeinheit. Ich werde nicht ruhen, bis wir die Missetäter, die für diese Taten verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen haben.« Er schüttelte den Kopf und schien für einen Augenblick besorgt zu sein. Dann erhellte sich sein Gesicht, und er tätschelte ihre Hand. »Sie sind ein wunderhübsches kleines Ding. So lieblich wie meine eigene Anne.«
Seine Frau lachte abwehrend, als er ihr die Hand hinstreckte. Sie trat an seine Seite und legte ihre lange, feingliedrige Hand auf seinen Arm. »Ach, Phillip, deine Augen täuschen dich. Ich bin nie so schön gewesen wie dieses Kind.«
Sie nahm Eriennes Hand in ihre eigene. »Ich hoffe, daß wir die allerbesten Freundinnen werden, meine Liebe.«
Die meiste Zeit hielt Anne ihren Blick von Lord Saxton abgewandt, doch wann immer es sich nicht vermeiden ließ, daß sie ihn ansah, bekam ihr Blick einen beinah finsteren Ausdruck. Ihr Kummer entging seiner Aufmerksamkeit nicht.
»Hast du angefangen, mich während meiner Abwesenheit zu hassen, Anne?« fragte er.
Ärgerlich machte sie eine schnelle Handbewegung in Richtung der Maske und entgegnete brüsk: »Ich hasse dieses Ding!«
Erienne war über die unbekümmerte Reaktion der Frau erstaunt, hatte aber wenig Gelegenheit, darüber nachzudenken, da Lord Saxton ihren Arm an sich zog. Er streichelte ihre Hand zärtlich und hielt sie gleichzeitig so fest, daß ihre Versuche, sie wegzuziehen, vergeblich waren.
»Sie können mir glauben, Anne, daß meine Frau das, was unter der Maske ist, noch mehr verabscheut, als Sie die Maske.« Er wandte sich Erienne zu und beugte sich über die Hand, die er gefangen hielt. »Wir werden zu Ihnen zurückkehren, sobald unsere Geschäfte es zulassen. Während dieser Zeit, meine Liebe, darf ich Sie der aufmerksamen Fürsorge unserer charmanten Gastgeberin überlassen.«
Er richtete sich auf und folgte Phillip in seinem schleppenden Gang aus dem Zimmer. Anne schien die Zähne aufeinander zupressen und bei jedem Auftreten seines dickbesohlten Stiefels zusammenzuzucken. Als sich die Tür hinter den beiden Männern schloß, starrte sie ihnen noch eine lange Weile nach. Erienne war sich nicht ganz sicher, doch sie glaubte zu hören,
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