Eine Rose im Winter
gebracht. Der makellos gekleidete Dienstbote, der es ihr übergab, verkündete umständlich, daß dies ein Geschenk von Lord Saxton sei. Eine kurze Mitteilung auf einer Karte, mit energischen Schriftzügen und einem einfachen ›S‹ unterzeichnet, bat sie, der Familie Saxton die Ehre anzutun und das Geschenk auf der Gesellschaft zu tragen. Erienne war etwas verwundert über die zurückhaltende Art, in der ihr Ehemann Geschenke und Nachrichten für sie zukommen ließ. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er in letzter Zeit schüchtern geworden sei, und war daher besorgt, daß er sich fern hielt, weil er ihrer langsam überdrüssig wurde.
Ihre Ängste verflogen jedoch, als sie den Deckel öffnete und ein dreireihiges Perlenkollier entdeckte. Es war unwahrscheinlich, daß ihr Mann sie mit einem so teuren Schmuckstück beschenkte, wenn er keine Zuneigung mehr für sie empfand.
Die Schließe war mit kleinen Diamanten und großen Saphiren besetzt, und die gleichen wertvollen Edelsteine zierten die Perlenohrringe, die den Schmuck vervollständigten. Sie mußte darüber nachsinnen, daß der Schmuck weit mehr wert war, als sie verdient hatte, und in ihrer Erinnerung tauchten die nächtlichen Träume auf. Sicher wäre es ihrer Ehe sehr viel zuträglicher, wenn sie ihre Phantasien mehr auf ihre Pflichten als Ehefrau konzentrierte.
Um Lord Saxtons Wunsch nachzukommen und sich königlich zu präsentieren, wählte Erienne zu den Juwelen passend ein mattblaues Satinkleid. Ein mit feinster Spitze und kleinen Perlen verzierter Kragen enthüllte kokett ihre Schultern. In den Falten des Satinkleides hingen Trauben von Staubperlen. Tessie bürstete ihr das Haar aus der Stirn und legte es sorgsam in eine Fülle von Locken, die in weichen Wellen von ihrer Stirn bis zum Nacken herabfielen. Schließlich legte sie das Halsband und die Ohrringe an, und ihr Spiegelbild bestätigte ihr, daß sie keine Befürchtungen haben mußte, die Saxtons nicht würdig zu vertreten.
Von den hochherrschaftlichen Gesellschaften des Adels hatte sie nur von ihrer Mutter gehört, und sie sah aufgeregt ihrem ersten Eindruck entgegen. Nach ihrer Ankunft stellte Anne sie den Lords und ihren Damen als die neue Herrin von Saxton Hall vor und erklärte heiter, daß das Herrenhaus so weit im Norden Englands lag, wie London im Süden. Mit einem nicht abreißenden Strom munteren Geplauders gab sie kaum Gelegenheit für ernsthafte Fragen, und falls sich jemand übermäßig neugierig zeigte, nahm sie ihren Gast und wandte sich mit ihm lachend der nächsten Gruppe zu.
Es schien, als ob die Leicesters beinahe jeden Gast kannten, denn der Kreis um sie vergrößerte sich zusehends. Erienne begann sich zu fragen, ob die Förmlichkeiten jemals ein Ende nähmen. Während der Vorstellungen hörte man immer wieder Bemerkungen zu den Ereignissen in Frankreich. Jeder war über die Massenmorde an den politischen Gefangenen in den Straßen von Paris fassungslos, und alle waren sich einig, daß dergleichen in England nicht passieren könnte. Die Gefangennahme des französischen Königs wurde empört zur Kenntnis genommen, und die Tatsache, daß man ihn wahrscheinlich innerhalb einer nicht zu langen Frist hinrichten würde, war fast ein noch größerer Schock für die auf Ruhe und Ordnung bedachten Engländer.
Mehrere Damen, die die Gesellschaft von Anne suchten, drängten sich vor Erienne und trennten sie so von dem älteren Ehepaar. Für eine Weile sich selbst überlassen, nutzte sie die Gelegenheit, einen Blick durch die Säle zu werfen. Die Räume waren zwar elegant, hatten aber etwas Stickiges und hätten gut etwas frische Luft vertragen können. Sie ging durch eine der hohen französischen Türen, die auf einen kleinen Balkon führte. Fast hatte sie ihr Ziel erreicht, als ein in Seide gekleideter Gentleman ihren Arm ergriff. Überrascht drehte sie sich um und starrte in das affektierte Lächeln von Lord Talbot.
»Sieh mal einer an, Erienne! Die süße, kleine Erienne!« Er selbst war von diesem glücklichen Zufall überrascht und machte nur einen schwachen Versuch, die Lust, die in seinen Augen schimmerte, zu unterdrücken. »Meine Liebe, Sie sehen einfach hinreißend aus. Man sollte nicht meinen, wie die richtigen Kleider eine Frau verändern können.«
Erienne versuchte höflich, sich aus seinem Griff zu befreien, doch er sah sie durchdringend an und schien nicht zu bemerken, wie sie missbilligend die Augenbrauen hochzog.
»Sie sind hier … ohne Begleitung?«
»O
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