Eine Rose im Winter
Haar und grobem Gesicht immer wieder Blicke zum Zimmer hinüber.
»Ich vermute, sie werden noch eine Zeitlang miteinander beschäftigt sein«, stellte Christopher fest und schloß seinen Mantel. Als Silas ihn ansah, tippte er sich an die Stirn, um auf die beiden in der Wohnstube hinzuweisen. »Ein kräftiger Rum würde Ihrem Magen vielleicht gut tun. Oder vielleicht steht Ihnen der Sinn danach, mir bei einem kleinen Imbiss im Gasthaus Gesellschaft zu leisten? Sie können danach wieder hierher zurückkehren, wenn Sie wollen.«
»Wie … ach … ich glaube, ich …« Silas riß die Augen auf, als aus dem Zimmer ein Durcheinander von schreienden Stimmen herüberschallte, und er kam schnell zu seinem Entschluß. »Ich glaube, ich komme mit, Sir. Vielen Dank.« Er zerrte an seinem Dreispitz, und plötzlich war er dankbar, daß er mit gutem Grund dieses Haus verlassen konnte.
Christopher verbarg ein verschmitztes Lächeln, öffnete die Tür und ließ den Mann vorausgehen. Als der kalte Wind und der prasselnde Regen sie traf, zitterte Silas und stellte eilig den Kragen seiner Jacke hoch. Seine Nase rötete sich ganz plötzlich und ähnelte einem großen, glühenden Leuchtfeuer. Er zog sich ein Paar zerlumpte Handschuhe über und stopfte einen ausgefransten Schal in den Kragen, was Christopher eine Braue skeptisch heben ließ. Wenn dieser Mann reich war, so gab es nicht viele sichtbare Beweise dafür. Eher glich seine Erscheinung der eines hart arbeitenden Bücherrevisors, dessen Brotgeber sich nur ungern von den winzigen Gehältern für seine Angestellten trennte. Es wäre hochinteressant zu erfahren, wie tief der Mann denn wohl in seine Tasche greifen würde, sollte er sich um die zarte Hand von Erienne Fleming bewerben.
Zweites Kapitel
Die Haustür wurde leise geschlossen; aber die Wirkung war so stark wie ein Donnergrollen. Der unerwartete Laut schreckte Avery aus seiner Tirade auf, und sein Kinn wackelte, als er zum Flur starrte und ihm klar wurde, daß nicht nur Christopher Seton das Haus verlassen hatte, sondern daß auch Silas Chambers mit ihm gegangen war. Mit einem Stöhnen der Verzweiflung wendete Avery sich wieder seiner Tochter zu und hob entsetzt die Hände.
»Da siehst du, was du angerichtet hast! Wegen deiner verdammten Blödheit haben wir wieder einen verloren! Verflucht noch mal, Mädchen! Du sagst mir sofort, weshalb du diesen Schuft in mein Haus gelassen hast, oder ich ziehe dir meine Peitsche über deinen Rücken.«
Erienne rieb die immer noch schmerzende Stelle über ihrem Ellbogen, wo ihr Vater den Arm umklammert gehalten hatte. Sie konnte die leeren Kleiderhaken neben der Tür sehen, und ein Gefühl von übermütigem Stolz überkam sie, weil sie zumindest diesen anmaßenden Spitzbuben des Hauses verwiesen hatte. Sie war auch unendlich erleichtert, daß Silas es für richtig gehalten hatte, mit ihm zu gehen. Und doch hatte sie das seltsame Gefühl, etwas verloren zu haben, so als ob etwas, das sie nur flüchtig gesehen hatte, und das doch so bezaubernd und angenehm war, für immer aus ihrem Leben verschwand. Sie sprach mit sorgfältiger Betonung, als sie erneut alles zu erklären versuchte. »Ich habe Christopher Seton nie zuvor gesehen, Vater, und wann immer entweder du oder Farrell über ihn spracht, so geschah das in recht ungenauen Beschreibungen. Du sagtest mir, ein Silas Chambers sei auf dem Weg hierher, und als ein Mann vor der Tür stand, nahm ich an, er sei es.« Sie wendete sich ab und zürnte stumm mit sich selbst. Und ein gemeiner Kerl war er außerdem, schließlich beließ er mich in dem Irrtum und dem Glauben, er sei ein anderer Mann!
Averys Stimme klang weinerlich. »Meine Tochter begleitet meinen schlimmsten Feind zum Schlafgemach meines eigenen Hauses, und nur die Heiligen im Himmel wissen, was dort vor sich ging. Und sie will mir weismachen, es sei ein Irrtum! Nur ein Irrtum!«
Zornig stampfte Erienne mit dem Fuß auf. »Alles wegen Farrell, Vater! In seiner Trunkenheit stolperte er und sank ohnmächtig zusammen. Genau dort, wo du stehst! Und Mr. Cham … ich meine Mr. Seton war so freundlich und trug ihn hinauf und legte ihn auf sein Bett.«
Avery schrie beinahe, während seine Augen blitzten. »Du hast es zugelassen, daß dieser Schuft noch einmal seine Hand an den armen, hilflosen Farrell legt?«
»Er hat ihm nichts angetan.« Erienne schob verlegen ihren Fuß auf dem fadenscheinigen Teppich hin und her und flüsterte zu sich selbst: »Ich war es, die er
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