Eine Rose im Winter
makellosen weißen Hemd aussah.
Christophers Augen strahlten sie an, und er nickte kurz zur Begrüßung. »Guten Abend, meine Dame.«
Erienne nickte steif. »Sir.«
Er stellte sich den anderen vor, nahm die Karten zusammen und begann zu mischen. Seine langen braunen Finger verrieten außerordentliches Geschick, und Erienne überlegte, daß ihr Vater wohl blind oder dumm gewesen sein mußte, um damals nicht gesehen zu haben, welche Erfahrung dieser Mann hatte. Doch vielleicht war Avery so versessen darauf gewesen, den anderen zu betrügen, daß er nicht darauf geachtet hatte.
»Was machen Sie hier in London?« fragte sie, ängstlich darauf bedacht, daß ihre Stimme freundlich klang. »Ich dachte Sie seien in Mawbry oder Wirkinton … oder sonst wo.«
Christopher begann die Karten auszugeben, doch er ließ sie keinen Augenblick aus den Augen. Sie war so wunderhübsch in ihrem Gewand, und seine Blicke hefteten sich auf das liebliche Bild. »Ich hatte keinen Grund dazubleiben, als Sie nicht mehr dort waren.«
Eriennes Blick schweifte in die Runde und sah, wie die beiden anderen Spieler mit ihren Karten beschäftigt waren. Die Gräfin nippte an einem Sherry, den man ihr gebracht hatte und schien abgelenkt zu sein. Das gab Erienne Gelegenheit, Christopher einen warnenden Blick zuzuwerfen. Er antwortete mit einem gelassenen Lächeln, zeigte unglaublich weiße Zähne und wies auf ihre Karten.
»Ich glaube, Sie müssen reizen, meine Dame.«
Erienne versuchte sich auf die Karten zu konzentrieren, ohne daß es ihr gelingen wollte. Sie entschied, daß es besser sei, ihr Blatt nicht auszureizen anstatt sich zu blamieren.
»Ich passe.«
»Sind Sie sicher?« fragte Christopher fürsorglich.
»Ganz sicher.« Sie übersah bewußt den spöttischen Glanz in seinen Augen.
»So werden Sie nicht gewinnen«, tadelte er sie. »Außerdem, ich hatte damit gerechnet, daß Sie eine echte Herausforderung für mich sein würden.«
»Warum reizen Sie nicht?« entgegnete sie mit hübsch hochgezogener Augenbraue, ohne sich einschüchtern zu lassen.
»Das wollte ich gerade tun«, gab er ungerührt zurück und sagte zu dem anderen Paar: »Drei!«
»Vier«, entgegnete der Mann mit einem fragenden Gesichtsausdruck.
Die Frau schüttelte den Kopf, und Christopher mußte weiter reizen.
»Sie machen es mir nicht leicht, Sir«, bemerkte er mit einem verbindlichen Lächeln. »Die Fünf steht!«
»Sie sind ziemlich mutig beim Reizen«, stellte Erienne fest.
»Wenn man es mir ermöglicht«, stimmte Christopher zu und nahm damit ihrer Anspielung den Stachel. »Ich bin nicht schnell zu entmutigen und gewohnt, die Initiative zu ergreifen, wenn ich glaube, daß ich gewinnen kann.«
»Bei den Karten scheint es so auszusehen.«
Seine Augen leuchteten, als er sie anlächelte. »Das ist immer der Fall, meine Dame.«
Erienne wagte nicht, seiner Behauptung zu widersprechen. Wären sie allein gewesen, so hätte sie ihn vielleicht daran erinnert, daß er, nachdem er um ihre Hand angehalten hatte, den Ausgang der Versteigerung durchaus ruhigen Blutes aufgenommen hatte. Er hatte sich wie eine müde Kirchenmaus verhalten, die ein begehrtes Stück Käse an einen entschlosseneren Nager verloren hatte, und sich dann wieder höflich mit anderen Dingen beschieden, zufrieden, seine Schulden zurückgezahlt zu bekommen.
Auf der Suche nach einer Chance, wie sie sein hohes Reizen untergraben könnte, beobachtete sie sorgfältig das Spiel. Er kam mit Pik-As heraus und wartete auf die anderen Pik-Karten. Der andere Spieler bediente mit einem König und stöhnte in gespielter Enttäuschung: »Sie haben Glück, daß ich kein weiteres Pik habe.«
In der nächsten Runde holte Christopher mit seiner Königin ihren Buben. Mit seiner Pik-Zehn zog er ihnen das letzte Pik aus der Hand, doch spielte er, um sicherzugehen, noch eine Neun in der gleichen Farbe. In der Hoffnung, daß seine Strategie einen Fehler haben könnte, hielt Erienne das Karo-As bis zuletzt. Als er seine letzte Karte ausspielte, lächelte er sie listig an.
»Ein Herz-As, bitte, meine Dame. Oder haben Sie noch etwas Besseres zu bieten?«
Ohne jede Bemerkung warf sie die letzte Karo-Karte mit einem leichten Anflug von Ärger auf den Tisch. Er schien in bester Laune, als er die Karten wieder einsammelte. Er nahm die Spielmarken des Paares entgegen, und als die beiden ein Gespräch mit der Gräfin begannen, wandte er sich Erienne mit einem kleinen schadenfrohen Lächeln zu.
»Ich glaube, Sie schulden mir
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