Eine Rose im Winter
Talbot in die Rippen, und mit seinem Arm erwischte er voll das schlaffe Kinn. Talbots Mund schloß sich mit einem hörbaren Laut, und er taumelte auf seinen hohen, vergoldeten Absätzen und sprang etwas vorwärts, im Bemühen sein Gleichgewicht wiederzugewinnen, bis der andere Mann mit fast übertriebener Kraft seinen Arm ergriff und ihn mit hochgezogener Schulter festhielt.
»Entschuldigung, Sir«, bat der Ungeschickte mit liebenswürdiger Stimme.
Lord Talbot sah mit Schrecken auf das Blut in seiner Handfläche. »Ich habe mir auf die Zunge gebissen, Sie verdammter Tölpel!«
Der Mann entließ ihn aus seinem Griff, worauf der Lord fast noch hingefallen wäre. Er wurde noch einmal aufgefangen, dieses Mal etwas sanfter. »Es tut mir wirklich leid, Lord Talbot. Ich hoffe nur, Sie haben sich nicht ernsthaft verletzt.«
Talbots Kopf fuhr hoch, und seine Augen weiteten sich, als er die hochgewachsenen Gestalt erkannte. »Seton! Ich dachte schon, es sei einer von diesen einfältigen Bauernlümmeln!« Das Bild von Farrell Flemings zerschossenem Arm kam ihm blitzschnell in den Kopf und ließ ihn den Gedanken an eine Forderung zum Duell verwerfen.
Christopher richtete den Blick auf den Butler und legte seinen Mantel über den von Erienne, den dieser noch immer auf seinem Arm hielt und wies ihn mit einem Kopfnicken an, beides abzulegen. Christopher zeigte ein reuiges Lächeln, als er sich wieder dem Lord zuwandte. »Ich muß mich noch einmal entschuldigen, Lord Talbot, und gestehen, daß mein Blick auf die Dame gerichtet war, die ich in Ihrer Begleitung sah!«
»War die Tochter des Bürgermeisters!« Sein Ton war barsch und kurz. Als er sich in der Halle umsah und keine Spur von ihr entdecken konnte, brummte er spöttisch: »Oder muß ich Lady Saxton sagen?«
»Sie ist wunderschön. Doch ich glaube, das weiß Lord Saxton besser als irgend sonst jemand.«
»Sieht so aus, als bekäme Reichtum diesem Weibsbild recht gut.« Ihm entging, wie sich die Lider über den graugrünen Augen senkten, und mit einem Seufzer fand er sich mit seiner augenblicklichen Niederlage ab. »Wie kann er dieses junge Ding denn glücklich machen, wenn er noch nicht einmal ein Pferd besteigen kann?«
»Ein Pferd besteigen?« Christopher wiederholte die Frage.
»Richtig! Es heißt, der Mann ist so unbeholfen, er kann noch nicht einmal reiten.« Talbot tastete behutsam eine Rippe ab, ob sie nicht gebrochen sei. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Seton. Ich muß meine äußere Erscheinung wieder in Ordnung bringen.«
»Aber gewiß, Mylord.« Christopher winkte dem Butler, der einen Mantel aus Atlasseide bereit hielt. »Wenn Sie schon gehen, werden Sie das hier sicher brauchen.«
Talbot befahl dem Diener mit einer hochmütigen Geste, sich wieder zu entfernen. »Ich hab's mir anders überlegt. Ich werde noch eine Weile bleiben.« Er grinste affektiert. »Das Füllen hat Rasse. Müßte eine interessante Jagd geben.«
Christopher zog in einem kargen Lächeln einen Mundwinkel hoch. »Ich hab' mir sagen lassen, daß Lord Saxton recht gut mit Feuerwaffen umgehen kann. Seien Sie vorsichtig, daß Sie nichts abkriegen!«
»Pah!« Talbot drückte sein Taschentuch auf die Lippen. »Der Mann bewegt sich so schwerfällig, den hört man schon, wenn er noch eine Meile entfernt ist.«
Währenddessen lief Erienne unruhig durch die Räume, bis sie Anne mit einem anderen Paar an einem der Tische fand, die man zum Kartenspiel aufgestellt hatte. Das Gesicht der älteren Frau erhellte sich, als sie sie sah, und sie wies einladend auf den Sitz des neben ihr stehenden Stuhls.
»Kommen Sie zu uns, meine Liebe. Sie waren so lange fort, wir fingen schon an, uns um Sie zu sorgen. Ich habe Phillip weggeschickt, um nach Ihnen zu sehen, und da Sie jetzt hier sind, setzen Sie sich zu uns.«
Erienne mochte sich nur mit Widerwillen an das erinnern, was damals ihren Vater ruiniert hatte, doch nach dem, was sie gerade mit Lord Talbot erlebt hatte, nahm sie die Nähe der Frau, die ihr Sicherheit bot, nur zu gern an. »Ich muß leider gestehen, daß ich überhaupt nichts von Kartenspielen verstehe.«
»Triumph ist ganz einfach, meine Liebe«, versicherte ihr Anne mit fröhlicher Unbekümmertheit. »Sie brauchen nicht länger als ein, zwei Minuten, um es zu lernen, und dann werden Sie überhaupt nicht mehr aufhören wollen.«
Diese Erklärung änderte nichts an Eriennes Überzeugung von der Verruchtheit des Kartenspiels. Doch sie betrachtete es, verglichen mit dem, was Lord
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