Eine Rose im Winter
steht da wie ein junger Hengst, der an seinem Zaumzeug zerrt.« Talbot drehte sich absichtlich im Takt an dem eben Erwähnten vorbei, um seine Tänzerin dann wieder schwungvoll hinwegzuschwenken. Es bereitete ihm offensichtlich Vergnügen, das köstliche, süße Fleisch vor der Nase des anderen hin und her zu schwingen. Vielleicht genauso, wie man ein kleines Kind neckt, indem man ihm das begehrte Spielzeug zeigt, ohne es aber erreichen zu lassen.
Wie Erienne beobachten mußte, war Talbots Feststellung von der Wahrheit nicht allzu weit entfernt. Christophers Augenbrauen waren zu einem missbilligenden Stirnrunzeln zusammengezogen, während er sie bei ihrem Tanz durch den Saal nicht aus den Augen ließ, so als habe er ein besonderes Recht, eifersüchtig zu sein, wenn sie mit einem anderen Mann tanzte. Bevor der letzte Ton verklang und die Musik erstarb, war er bei ihnen.
»Ich fordere den nächsten Tanz.« Seine Stimme war tonlos, seine Erklärung grob.
Diesmal war es Lord Talbot, der stirnrunzelnd zurückblieb, während der jüngere Mann Erienne hinwegführte. Ganz in der Art wie eben der Lord gab Christopher der Musik ein Zeichen, und ein neuer Walzer begann. Er legte seine Hand um ihre Taille, stellte sich ihr gegenüber, und seine Augen verrieten Entschlossenheit, als er sie in weiten, anmutigen Bögen über das Parkett gleiten ließ. Seine Bewegungen waren wie der Mann selbst, kühn und weit ausgreifend. Sie hatten nichts von den gezierten Schritten an sich, wie sie der Lord gezeigt hatte. Erienne spürte mit überwacher Feinfühligkeit seinen Arm um ihre Taille und die starke Kraft seiner Schulter, die sich unter ihrer Hand bewegte. Sie glitten scheinbar schwerelos über die Tanzfläche, und andere Paare hielten ein, um ihnen bewundernd zuzusehen. Sie bildeten ein außerordentlich schönes Paar, und unterdrücktes Geflüster kam auf, als die Zuschauer Fragen und Vermutungen austauschten. Zwischen den beiden herrschte jedoch eine fast feierliche Stille. Erienne hatte ihren Blick gesenkt und wehrte sich, ihm zu nahe zu kommen, da ihr die Anziehungskraft seiner athletischen Gestalt und das ungleichmäßige Schlagen ihres Herzens nur allzu sehr bewußt war. »Meine Dame, sind Sie mit irgend etwas unzufrieden?« fragte er schließlich mit einem leichten Lächeln.
Während der folgenden ein, zwei Drehungen überlegte sie sich ihre Antwort. Ihr Stolz ließ es nicht zu, ihm zu sagen, wie sehr er ihre Gedanken durcheinandergebracht hatte und daß die ruhige Gelassenheit, die sie zur Schau trug, ihre Gefühle verbarg, die er durch seine Nähe aufwühlte. Um sich gegen seinen Spott zu wappnen, hielt sie es für besser, ihn anzugreifen, als ihre Schwäche einzugestehen. »Sie haben Lord Talbot ziemlich rüde behandelt.«
»Rüde?« lachte Christopher mit scharfem Hohn. »Der Mann war im Begriff, Sie zu entführen, und ich darf Ihnen versichern, meine Dame, daß er dabei keinerlei ehrenhafte Absichten hatte.«
Sie hob ihr Kinn, nicht ohne dabei ihren langen anmutigen Hals, geschmückt mit den Juwelen, ins rechte Licht zu bringen, und lehnte sich an seinen Arm. »Er hat sich entschuldigt, und während des Tanzes hat er sich fast die ganze Zeit wie ein Gentleman benommen.«
»Es ist ganz offensichtlich, Madam, daß Sie eingehende Beratung darüber brauchen, was man unter einem Gentleman versteht. Lord Talbot ist ein ganz ausgekochter Lebemann, und ich kann Ihnen nur raten, sich vor seinen Aufmerksamkeiten in acht zu nehmen.«
Leicht verstimmt wandte sie ihr Gesicht zur Seite und antwortete schnippisch: »Wahrscheinlich ist er auch nicht schlimmer als andere, die ich kenne.«
»Würden Sie Lord Saxton, wenn er hier wäre, dieselbe Antwort geben, wenn er Sie vor dem Mann warnte?«
Erienne sah verdutzt zu Christopher auf. »Ich war meinem Mann stets so treu und aufrichtig ergeben, wie es nur möglich ist.« Ihre Tanzschritte wurden langsamer. Sie fühlte sich ein wenig gekränkt.
»Und natürlich«, bemerkte er mit einem selbstzufriedenen Lächeln, »haben Sie ihm alles über uns beide erzählt.«
Diesmal hielt Erienne im Tanz inne. Ihr Zorn schwoll an. Es war schon schlimm genug, von den eigenen Gedanken und Träumen geplagt zu werden, aber dazu noch seinen Spott ertragen zu müssen … das war zu viel. Sie würde seiner Vermutung ein schnelles Ende bereiten. »Uns? Ich bitte Sie, mein Herr, was gibt es denn über uns zu erzählen?«
Er lehnte sich näher zu ihr und sprach mit leiser Stimme: »Falls Sie sich noch
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