Eine Rose im Winter
erinnern können, Madam, meine Küsse haben Sie nicht eben kalt gelassen.«
»Oh!« Nur die eine Silbe kam über ihre Lippen, da ihr sonst die Worte fehlten. Sie wendete sich abrupt um und wollte die Tanzfläche verlassen. Rechtzeitig genug konnte er ihr Handgelenk ergreifen und sie gegen ihren schwindenden Widerstand durch die offene Tür in einen nur schwach erleuchteten Laubengang führen. Sobald sie nicht mehr im Blickfeld der anderen Tänzer waren, riß Erienne ihre Hand aus der Umklammerung, rieb das schmerzende Gelenk und murmelte zwischen den Zähnen: »Diese Männer!«
Sie kehrte ihm den Rücken zu, als er sich ihr näherte, und obwohl sie ihn in keiner Weise aus ihrem Bewußtsein verdrängen wollte, gelang es ihr, eine Haltung kühler Verachtung an den Tag zu legen. Christophers Stimmung besänftigte sich, als seine Augen mit Genuss die Schönheit ihrer langen glänzenden Locken und die zarte Rundung ihrer Schultern bewunderte. Der Duft ihres Parfums umschmeichelte seine Sinne, und erneut spürte er diese unwiderstehliche Sehnsucht. Ein starkes Verlangen, sie in seinen Armen zu halten, ergriff ihn; eine einzige brennende Begierde, die alle anderen Wünsche auslöschte. Er legte den Arm um ihre schlanke Taille, zog sie an sich, beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr:
»Erienne, meine Liebste.«
»Rühren Sie mich nicht an!« rief sie atemlos und riß sich los, als seine leisen Worte wie spitze Dolche in ihr Innerstes drangen und die hauchdünne Fassade ihrer Fassung zerfetzten. Zitternd sah sie ihn an und hielt anklagend beide Handgelenke in die Höhe. »Sehen Sie? Diese beiden blauen Flecken! Sie sind keinen Deut besser als der andere. Die meiste Zeit des Abends bin ich von Männern hin und her gezerrt worden, und Sie geben vor, mich beschützen zu wollen.«
Christopher sah, wie zornig sie war und machte eine kurze, ironische Verbeugung. »Meine Entschuldigung, meine Dame. Ich meinte nur, Sie vor einem Mann warnen zu müssen, dessen Absichten weniger als ehrenhaft sind.«
»Und die Ihren, Sir?« spottete sie. »Wenn wir uns in die Wärme jenes Stalles damals begeben, würden Sie sich dann zurückhalten? Oder nicht eher mich zur Aufgabe meiner Keuschheit zwingen?«
Er trat näher an sie heran, peinlich darauf bedacht, sie nicht zu berühren, während seine Augen alles, was sie sahen, mit gierigem Heißhunger verschlangen. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Madam!« Seine Stimme klang heiser und warm. »Es ist mein innigster Wunsch, Sie in meinen Armen zu halten und Sie von dieser verdammten Jungfräulichkeit zu befreien. Wenn Ihr Mann das nicht vollbringen kann, dann lassen Sie in aller Barmherzigkeit mich das tun, und verschwenden Sie sich nicht an diesen eitlen Gockel Talbot. Er würde Sie so lange benutzen, bis er sich mit Ihnen langweilt, und Sie dann an seine Freunde weiterreichen, die dann nach ihren Belieben mit Ihnen umspringen würden.«
Erienne sah zu ihm auf. Als sie sprach, klang ihre Stimme fast scheu. »Und was wäre mit Ihnen, Christopher? Wenn ich mich Ihnen hingäbe, würden Sie mich dann in Ehren halten?«
»Sie in Ehren halten?« rief er atemlos. »Meine liebste Erienne, wie könnte ich je etwas anderes tun? In jeder wachen Minute beherrschen Sie meine Gedanken, machen Sie mich abhängig, verdrehen mir den Kopf und zerren an den Fasern meiner Sinne. Der Mann in mir beginnt zu zittern, wenn Sie nur in der Nähe sind, und ich habe ein quälendes Verlangen, daß Sie Ihre Hand in zärtlicher Liebkosung auf mich legen. Der Wunsch, Sie zu besitzen, verfolgt mich, und wüsste ich nicht völlig sicher, daß Sie mich dann für immer hassten, würde ich noch heute nacht meine Begierde stillen, ob Sie das wollten oder nicht. Doch viel lieber möchte ich, daß mein Name mit liebevollen Worten von Ihren Lippen kommt, als eingewoben in die Stimme des Hasses. Das ist das einzige, was Sie vor mir bewahrt, Erienne. Nur das.«
Sie konnte ihn nur anstarren, ihre Lippen halb geöffnet, und die aufgewühlten Gefühle tobten wild in ihrer Brust. Glühend in ihr Gedächtnis eingebrannt war die Erinnerung an jene Nacht in dem verlassenen Stall, als seine Küsse ihren Widerstand dahinschmelzen ließen und sie sich mit zitternder Benommenheit ihrer eigenen Leidenschaft bewußt wurde. Diese Gefühle flammten wieder auf, und sie wurde von einer schneidenden, rasenden Angst gepackt. Noch einen Augenblick des Zögerns, und sie mußte darum fürchten, sich selbst, ihren Mann und ihr Haus zu
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