Eine Rose im Winter
unter meiner suchenden Hand zu spüren und Sie mein Eigen zu nennen. O nein, kein hochtrabender Titel kann das Feuer in mir kühlen.«
Sprachlos vor Staunen starrte sie ihn an. Er hatte den brünstigen Hirsch so trefflich gespielt, daß sie seine Worte nur als einen neuen Trick ansehen konnte, um die Grenze zwischen ihnen zu durchbrechen und sie der Liste seiner Eroberungen hinzuzufügen. Doch er bewirkte ebenso, daß in ihrer Seele ein ähnliches Bewußtsein ihres eigenen Begehrens aufstieg. Er war bei ihr, wann immer sie die Lider schloß, er verfolgte sie mit seiner Gegenwart, und sie sehnte sich danach, daß er sie umarme und küsse – ohne die geringste Einschränkung zwischen ihnen.
Jetzt senkte sich sein Blick in den ihren, ohne zu flackern, und versprach dabei mehr, als sie annehmen konnte. Trotz ihrer äußeren Ruhe waren ihre Gedanken verschreckt, und sie vergaß vollkommen, daß sie ihn wollte. Ihre Hände zitterten, als sie sich ihrer Aufgabe zuwandte und die Spitze der Schere in den Verband schob. Sie schnitt durch, bis der Verband sich teilte, dann hob sie ihn vorsichtig ab. Ein leichtes Schaudern durchfuhr sie, als sie seine verklebte, schwarze und grüne Wunde vermengt mit Verbandszeug sah. Es war mühsam, den Stoff von der Haut zu lösen, und sie tat es mit so sanfter Vorsicht, daß die Wunde nicht erneut zu bluten anfing. Obwohl sie sorgfältig und mit behutsamer Geduld arbeitete, um es von dem rosigen, gesunden Fleisch zu lösen, war ihr klar, daß all das Zerren und Ziehen ihm Schmerzen verursachte. Doch er verzog keinen Muskel, und wann immer sie aufsah, lag dieser seltsame, unergründliche Blick in seinen Augen, der sich in ihre Seele zu senken schien, und ein rätselhaftes Lächeln spielte auf seinen Lippen.
»Drehen Sie sich zu mir«, befahl sie und lehnte sich gegen ihn, um ihn um die Taille zu greifen, als er widerspruchslos gehorchte. Sie wickelte den Verband von seinem Rücken, schob ihn so weit herunter wie möglich, ehe sie das getrocknete Blut von seinem Rücken abtupfte. Die Schüssel mit dem lauwarmen Wasser stand neben ihm auf dem Bett, und als er auf der Seite lag, griff sie hinüber, um das Tuch auszuwinden. Im nächsten Augenblick erhob er seine Hand und drückte sie leicht zwischen ihre Schultern, so daß sie auf ihn fiel und er sogleich ihre Lippen mit den seinen erreichen konnte. Sie verlor das Gleichgewicht, konnte sich nicht sofort von ihm zurückziehen und wurde in einem heißen Kuß gefangen, der Fackeln in ihre kühle, besonnene Zurückhaltung warf, und sie unter der Glut seiner Forderung auflodern ließ. Seine offenen Lippen wanderten mit einer Gier, die nach einer gleichen Erwiderung suchten, über ihren Mund. Eine reißende Flut von Erregung durchfuhr sie, und da war das Begehren, seine Erregung zu erwidern; doch plötzlich tauchte die Vision von einer schwarzen, starrenden Maske in ihren Gedanken auf, und sie fuhr mit einem entsetzten Keuchen auf. Sie stand neben dem Bett, ihre Wangen glühten vor Scham über ihre eigene Leidenschaft.
Christopher forderte sie mit einem spöttischen Lächeln heraus. »Sie müssen meine Gedanken gelesen haben, Madam. Es war genau das Geschenk, nach dem ich mich sehnte.«
»Sie sind dreist genug, sich im Haus meines Mannes solche Frechheiten herauszunehmen«, sagte sie atemlos. »Sie werden sich gewiß selbst zerstören, wenn Sie mit diesen Dummheiten fortfahren.« Ihr Vorwurf schien ihn nur zu belustigen, denn sein Lächeln vertiefte sich und ließ sie bezweifeln, ob sie je mit ihren Vorwürfen Erfolg haben mochte und seine brünftigen Neigungen entmutigen konnte. Allmählich gelang es ihr, sich wieder zusammenzunehmen, und sie bedeutete ihm mit noch zitternder Hand: »Sir, wären Sie so freundlich und legten sich auf die andere Seite? Ich möchte den Verband abnehmen.«
Christopher stemmte sich von der Matratze hoch, damit sie unter ihm herumgreifen konnte. Selbst dann fiel es ihr schwer, seine körperliche Nähe zu ignorieren und den unregelmäßigen Schlag ihres Herzens zu überhören. Nach ein paar Sekunden unbeholfenen Herumtastens fand sie den widerspenstigen Verband und wickelte ihn ab. Sie warf den Fetzen in die Schüssel, als an der Tür ein leises Klopfen zu hören war. Auf ihre Aufforderung betrat Bundy das Zimmer.
Sein Erscheinen bot Erienne eine geeignete Gelegenheit, sich zu entschuldigen und ihr Opfer der Sorge eines anderen zu überlassen. Sie war dankbar für die Unterbrechung und suchte schnell die Stille ihres
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