Eine Rose im Winter
Schlafgemachs. Als sie die Tür hinter sich zuzog, entschwand jene zermürbende, verwirrende Unruhe; doch sie vermochte den sicheren Anlass dafür nicht zu erkennen. Trotz allem, was sie sich vorgestellt hatte, war es ihr nur gelungen, die Persönlichkeit des Geisterreiters zu erkennen. Sie war zufrieden, daß Christophers Gründe rechtens waren, doch der gesichtslose Schatten des Mannes, der zu ihrer Rettung aus dem Fluss geflogen kam, quälte sie. Sie konnte nicht mehr länger glauben, daß es damals ihr Ehemann war, und sie fürchtete die Vorstellung, daß Christopher selbst hier die Stelle von Stuart einnahm, wie sich dies oft schon eingestellt hatte in jenen dunklen, verhüllten Stunden der Liebe in ihres Gatten Armen.
Hier war selbstverständlich der Platz, wo sie sich nachts ihrem Mann widmete, dort auf dem Bett, und als ihr Blick über die samtenen Vorhänge glitten, waren ihre Gedanken rastlos auf der Jagd. Seit kurzem hatte sie begonnen, an Christopher zu denken, während ihr Mann sein Liebesspiel mit ihr trieb, irgend etwas in seinen heißen Umarmungen ließ sie an Christopher denken, und jetzt drangen diese erhitzten Umarmungen in andere Gebiete ihrer Ehe, verwirrten einst fest gefügte Tatsachen mit verwirrenden Bildern von den beiden Vettern. War das der Fluch, der auf den Flemings lastete? Konnte sie je einem treu sein? Würden ihre eigenen Begierden weiterhin einen anderen in ihr Herz drängen, während ihr Mann sie hielt und ihr Seligkeiten schenkte, die sie in ihrer Intensität fast umbrachten? Sie sah das Bild dieser leeren Ledermaske, die sich über sie beugte, als wolle sie küssen, und wie schon zuvor verwandelte sie sich allmählich in das leidenschaftliche Gesicht des Mannes, der sie verfolgte.
Eriennes Geist rebellierte, und sofort ergriff ein anderer Gedanke von ihr Besitz, eine Erkenntnis, die ihr mit der Plötzlichkeit eines Angriffs den Atem nahm.
Seton! Saxton! Vettern? Oder Brüder? In der Saxton-Familie gab es zwei Söhne. Stuart war der Ältere; aber was war aus dem Jüngeren geworden? Könnte er wirklich der sein, den sie als Christopher Seton kannte? Was für eine bessere Falle könnte es für diese Schufte geben, die den Besitz niedergebrannt hatten, als sie in einem Netz zu fangen, in dem der eine der Lord, der andere eine Maskerade spielte. Waren sie Brüder, dann arbeiteten sie vielleicht zusammen, um die Verstümmelung des einen zu ahnden: Christopher, der beweglichere von beiden, zog als nächtlicher Rächer Schwert und Pistole, während der ältere Bruder Furcht in die Herzen der Briganten brannte, allein, weil es ihn noch gab. Die Verantwortlichen für das Niederbrennen des Hauses hatten gehofft, ihn damit zu töten, wurden jedoch durch ihren Fehlschlag in ihren Erwartungen enttäuscht.
Sie lächelte überlegen, als ihr neu gefundener Glaube sich in ihr festigte. Christopher hatte freien Zugang zum Haus, und er kannte es so genau, als wäre er hier geboren worden.
Sie kauerte sich am Fußende des Bettes zusammen, und ihre Gedanken flogen in einem ziellosen, rasenden Wirbelwind dahin. Da war doch noch irgend etwas, das vor ihrem Zugriff hin und her flatterte, eine Vermutung, daß irgendwas nicht ganz stimmte. Sie rieb sich die Hände, und fast so schnell, wie Kälte in ihr aufstieg, erinnerte sie sich des Augenblicks, als sie nach dem Verband gegriffen hatte. Ihre Hand streichelte zärtlich die Handfläche ihrer linken, zart, als wäre es Christophers Rücken, und plötzlich wußte sie, was sie berührt hatte: eine verrunzelte Narbe auf seiner Schulter. Nur wenige Nächte zuvor hatte sie diese Narbe auf Stuarts Rücken gespürt, als er sie in die Höhen der Leidenschaft gerissen hatte.
Ein erstickter Schrei des Verleugnens entfloh ihren Lippen, als ihr die ganze Wirklichkeit dämmerte! Ihr Mann hatte an seiner Stelle einen anderen in ihr Bett entsandt! Langsam zogen die Bilder vor ihrem inneren Auge dahin, jene Zärtlichkeiten, die sie ausgetauscht hatten, wenn ihre Hände mit weiblicher, liebevoller Neugier über seinen Körper geglitten waren, und jene Seligkeit, wenn seine kenntnisreichen Liebkosungen ihren Lippen Seufzer der Wonne entlockten, so – wie damals im Wagen mit Christopher.
Erienne wandte sich um und barg ihr Gesicht in der Decke über dem Bett. Ihre halb unterdrückten, halb weinenden Seufzer wurden vom Bettzeug erstickt. Der Schmerz in ihrer Brust war unerträglich, und es bot sich keine Erleichterung von der brennenden Scham, die sie fühlte. Sie
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