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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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mein Lieber, nur vor uns beiden wird der Drache fliehen.«
    ***
    Mit Schrecken sah Christopher, wie der Tag unaufhaltsam zu Ende ging. Er kannte die Gespenster, die ihm die Dunkelheit bringen würde, war er doch vielen schon in der vorhergehenden Nacht begegnet. Er stand am Ende des westlichen Ganges und fuhr mit dem Finger über die Bleifassungen eines Fensters, das sein Großvater hatte einsetzen lassen. Christopher verfolgte, wie das schwächer werdende Licht der untergehenden Sonne in ein paar niedrig hängenden Wolken verschwand. Der purpurrote Schein weckte in ihm wieder die Furcht vor seinen eigenen Gedanken.
    Plötzlich wurde es ihm klar: Verließ er nicht das Haus, so würden seine Kräfte beim Warten und Grübeln dahinschwinden. Er würde die Banditen in ihren Schlupflöchern aufstöbern und verfolgen, bis einer ihm sagte, was er wissen mußte. Dann würde er den Sheriff jagen und ihn zu Boden zwingen, wie ein jagender Wolf, der dem Hirsch die Kniesehne zerbeißt. Und er schwor sich, wenn ihr auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre, der Mann würde hundert Jahre und länger vergeblich um seinen Tod betteln.
    Es war tiefe Nacht über den Hügeln, als sich die Tür des Geheimganges öffnete und ein großer, dunkel gekleideter Mann mit den weiten, kühnen Schritten eines rächenden Ritters hervortrat. An seiner Seite das Breitschwert mit der langen Klinge, das schon sein Vater bei seinem Tod umklammerte. Der Hengst spürte die Erregung seines Herrn und stampfte und tänzelte in seinem Eifer, mit ihm dahinzufliegen. Der Mann schwang sich in den Sattel, und die Rache ritt über das Moor, als ein abnehmender, fahler Mond sein Antlitz vor dem prophezeiten Blutbad verbarg. Seine Feinde hatten diesem Mann sein Liebstes genommen, und noch nie hatte es einen Wilden mit einer glühenderen Wut im Herzen auf Erden gegeben.
    Das schwarze Pferd stieß seinen Atem, schnaubend wie ein Drache, in die kalte Nachtluft. Seine Eisen schlugen auf Steinen Funken, als sie durch die Nacht donnerten. Sie ritten von hier nach dort, vor und zurück, hielten einmal an einer einsamen Scheune, ohne Mann oder Pferd zu finden, nur einige Anzeichen für eine kurz zuvor verlassene Lagerstätte. Auch eine verborgene Höhle gab keine Auskunft über den Aufenthalt der Entführer.
    »Sie sind alle weg«, knurrte er. »Sie haben sich alle versammelt, um die Falle mit einem Köder zu stellen, von dem sie wissen, daß er für mich unwiderstehlich ist. Aber wo? Der Teufel soll sie holen! Wo?«
    Die Stunde war schon spät, und der niedrig hängende Mond huschte immer noch scheu hinter den Wolken dahin, als ob er die Kühnheit und den Zorn des Mannes fürchte. Fast verzehrte ihn seine wilde Wut, als er das Tier zu einem halsbrecherischen Tempo anspornte. Ein Schatten flog über Täler und Moore, im niedrigen Flug mit ausgebreiteten Schwingen wie ein hungriger Falke auf der Suche nach Beute.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Manch einer dachte, der alte Ben sei aus dem Grabe auferstanden, denn ein zerlumpter Mann saß zusammengekauert im Schatten der Hintertüre vom Wirtshaus Zum Eber und trank langsam sein Ale. Er war nicht am Tage erschienen; erst nach Einbruch der Dunkelheit war er ohne ein Wort auf den Stuhl hier in der Ecke geschlüpft, hatte mit einer Münze auf den Tisch geklopft, bis Molly ihm einen Krug Bier brachte. Er erinnerte sie an den Bürgermeister, doch er stank nach Rauch und Schweiß, und sein fettverschmierter Backenbart machte im Schatten ein Erkennen unmöglich. Sie verwarf den Gedanken an die Ähnlichkeit und machte sich wieder an ihre Arbeit. Seine Münzen waren genau abgezählt, und er hatte noch kein Trinkgeld gegeben. Kein Grund also, zuviel Zeit auf seine Bedienung zu verwenden.
    Avery Flemings Augen standen keine Sekunde still, als er da in der Ecke saß. Er war stets bereit zu fliehen, wann immer eine Gestalt im Umhang ihn an Seton erinnerte oder ein Stuhl auf dem Boden kratzte und das Geräusch ihn an einen schwerfälligen, deformierten Fuß denken ließ. Der dünne Geldbeutel, den Parker ihm überlassen hatte, war fast leer, und allmählich schwand seine Hoffnung, daß der Sheriff ihn bei Lord Talbot in Erinnerung bringen würde. Nachdem ihn sowohl Seton als auch Saxton verfolgten, war sein Leben keine Minute sicher. Keiner konnte ihm sagen, wann sie die elende Hütte am sumpfigen Ufer finden würden, doch er wußte, daß sie hinter jedem Busch nach ihm suchen würden. In der vergangenen Nacht hatte ihn ein wildernder Hund

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