Eine Rose im Winter
die er mehr und mehr verabscheute, und ging als Lord Saxton langsam die Treppe hinab, um sich den Tagesgeschäften von Saxton Hall zu widmen. Er unterschrieb eine Anzahl Papiere und wartete darauf, etwas von seiner Frau zu hören.
Mit Bundy und dem Gärtner besichtigte er ein Stück Land, stimmte verschiedenen vorgeschlagenen Änderungen zu und wartete darauf, etwas von seiner Frau zu hören.
Er befasste sich mit ungefähr einem Dutzend Streitfällen seiner Pächter, hörte Klage und Verteidigung und entschied so, wie er hoffte, daß beide Seiten zu ihrem Recht kämen. Und er wartete darauf, von seiner Frau zu hören.
Während er einsam ein Mittagessen zu sich nahm, brachte ein Bote einen Brief von Farrell. Der junge Mann teilte ihm mit, daß er zusammen mit der Christina nach Norden segeln würde. Das Schiff mußte auf einem schwierigen Kurs gegen den Wind nach Nordwesten lavieren und würde am späten Nachmittag des folgenden Tages vor der Küste ankommen.
Christopher suchte nach Beschäftigung, um die Nachmittagsstunden schneller vorbeigehen zu lassen. Er wünschte, sie wären so langsam verstrichen, als er Erienne in seinen Armen hielt. Der Abend fand ihn in einer bissigen und gereizten Stimmung. Das Dienstpersonal hatte Verständnis und fühlte mit ihm. Es gab immer noch keine Nachrichten, weder gute noch schlechte, und man ließ ihn mit seinem Kummer allein.
Für Erienne verlief der Tag ähnlich. Der entscheidende Unterschied bestand darin, daß sie noch immer eingesperrt war. Sie hatte zum Frühstück denselben Eintopf zusammen mit einem halbverbrannten Stück Brot bekommen und stellte jetzt das Geschirr ordentlich auf das Tablett und fegte den Raum. So gut es ging, wusch sie sich mit dem kalten Wasser aus dem Eimer, wofür sie nur eine flache Schüssel und keine Seife hatte. Mit den Fingern fuhr sie sich durch die Haare, um sie etwas in Ordnung zu bringen. Dann fegte sie noch einmal ihre Zelle. Sie war gereizt, als das Abendessen kam, denn es war wieder nur der gleiche Wildbreteintopf, nur diesmal viel dicker, als ob er den ganzen Tag auf dem Feuer gestanden hätte.
Durch eine der wenigen bleigefaßten Fensterscheiben beobachtete sie, wie der Tag entschwand. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie sich fragte, ob Christopher dieselben wunderbaren Farben sähe. Es war ihre durch nichts zu erschütternde Überzeugung, daß er genauso an sie, wie sie an ihn dachte.
»Oh, mein Liebster«, sagte sie unter Seufzen und trocknete sich die Tränen, »ich wäre tapfer, wenn es nur um mich ginge, doch unter meinem Herzen ruht dein Kind. Und man sagt, daß solche Prüfungen auch bei den Ungeborenen Spuren hinterlassen. Und dieses soll frei sein von den Hassgefühlen, die ich im Herzen trage.«
Sie erinnerte sich, daß sie einst vor ewig langer Zeit, an einem Tag für sich allein, wie mit einem Schwert in der Hand kühne Drohungen ausgestoßen hatte. Aufrecht und tapfer stand sie in ihrem Zimmer und hielt mit ruhiger Hand das Schwert an ihrer Seite. Mit großer rhetorischer Geste streckte sie eine Hand in die Höhe und sprach zu der Zuhörerschaft in ihrer Vorstellung:
»Wär' ich ein silberner Ritter, der sich geschworen hat, im Namen des Rechts zu handeln, ich würde dieses Schurkennest ausräuchern, um Euren Namen reinzuwaschen. Kraft meiner Waffen würde ich sie alle strafen, sie niederknien und um Vergebung flehen lassen und ihnen die Köpfe von den Schultern schlagen. Das ist die Wahrheit des Siegers.«
Sie hielt in ihrer Kampfrede inne. Langsam sank der Arm herab. Die Chimäre war zu Ende. Sie kniete neben ihrem Strohsack und ließ den Tränen freien Lauf.
»O Christopher, meine süße Liebe«, flüsterte sie, »wär' ich der Ritter, ich hätte sie nie erfahren, deine Berührung, deine mich umfangenden Arme, deine Küsse auf meinen Lippen, dein warmer, süßer Körper an meinem, deiner Liebsten.« Nach einer Weile richtete sie sich auf und sah, wie das letzte Licht durch die Kristallscheibe fiel. »Ich muß tapfer sein.« Sie schnäuzte sich und trocknete sich die Wangen an ihrem Rock. »Wenn das Kind ein Junge wird, so muß ich für ihn stark sein, oder ein Mädchen, dann soll sie von mir die Kraft der wahren Liebe erfahren.
Christopher, mein Allerliebster«, sie faltete ihre Hände wie zu einem Gebet, »schütze dein Leben, aber töte den Drachen und befreie mich, ich habe meine Rose im Winter, die selig machende Liebe, gefunden. Mein ist deine kostbare Liebe, versprochen bis in alle Ewigkeit. Komm,
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