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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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Kopf und erklärte hochmütig: »Lord Talbot hat augenblicklich für Besucher keine Zeit. Er ist im Begriff, wichtiger Geschäfte wegen, zu verreisen.«
    »Ist wichtig, daß ich mit ihm rede!« blieb Avery fest.
    Der Butler betrachtete ihn noch einmal und erwiderte dann fast widerwillig: »Ich werde Seine Lordschaft fragen, ob er Sie zu empfangen wünscht, Sir. Ihr Name?«
    »Avery Fleming!« entgegnete der ehemalige Bürgermeister erregt. »Kennen Sie mich denn nicht? Ich bin doch schon früher hier gewesen!«
    Die Überraschung auf Charles' Gesicht war nicht zu übersehen. »Sie haben tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bürgermeister.« Er betrachtete sich Avery etwas näher und schüttelte dann ungläubig den Kopf. »Wenn Sie mir das nicht übel nehmen wollen, Sir, es sieht so aus, als ob Sie etwas Pech gehabt hätten.«
    »Das habe ich!« antwortete Avery zustimmend. »Und das ist auch der Grund, warum ich unbedingt mit Seiner Lordschaft sprechen muß!«
    »Ich bin gleich wieder zurück, Sir.«
    Avery fiel es schwer, seine gereizte Ungeduld im Zaum zu halten. Er hörte, wie sich der Butler ins Haus zurückzog und wie seine Tritte sich in der Stille verloren. Nach einer Weile kehrte das Geräusch zurück, und Averys Gesicht hellte sich auf, als er des Butlers wieder ansichtig wurde.
    »Was hat er gesagt? Kann ich hereinkommen?« fragte er den Dienstboten erregt.
    »Lord Talbot hat keine Zeit, Sir. Er kann Sie nicht empfangen.«
    »Es ist wichtig!«
    »Es tut mir leid, Sir.« Charles entschuldigte sich hochmütig und verstummte.
    Avery ließ geschlagen die Schultern hängen. Langsam entfernte er sich von dem Portal, das sich hinter ihm schloß, und ging die Treppe hinunter. Er fühlte plötzlich eine Schwäche in seinen Beinen. Vollkommen erschöpft von den Ereignissen der letzten Tage lehnte er sich gegen ein Rad des Wagens. Wenn er nur eine Gelegenheit hätte, seinen Fall Lord Talbot vorzutragen. Er war sicher, daß ihn der Mann verstehen und sein Mitgefühl zeigen würde, und wenn es auch nur für ein paar Pfund mehr und vielleicht sogar ein Pferd war.
    Avery hob den Kopf und befühlte vorsichtig eine wunde Stelle. Er hatte nicht mehr Kraft genug, um nach Mawbry oder sonst irgendwohin zu gehen. Fast schien es, als ob er dem Schicksal ausgeliefert sei. Er hatte kein Pferd und noch nicht einmal etwas zu essen. Was konnte er tun? Er hatte sein ganzes Hab und Gut verloren, Familie und Freunde hatten sich von ihm losgesagt, und wenn er jetzt keine Chance bekam, mit Seiner Lordschaft zu sprechen, schien es überhaupt keine Hoffnung mehr zu geben.
    Seine Aufmerksamkeit wurde plötzlich davon erregt, daß sein Auge auf die mit Zelttuch bedeckte Kofferkiste der Kutsche fiel. Sie war für einen Mann groß genug, sich darin zu verbergen, und würde ihm nicht nur eine Transportmöglichkeit bieten, sondern er mochte auch eine Möglichkeit finden, Lord Talbot seinen Fall vorzutragen, nachdem dessen Geschäfte erledigt waren.
    Avery sah sich verstohlen um. Der Kutscher döste auf seinem Sitz und beachtete ihn nicht. Die zwei Diener unterhielten sich vorn bei den Pferden. Nachdem sie ihn mit einem verächtlichen Feixen abgetan hatten, beachteten sie ihn nicht weiter. Niemand war sonst da, der ihn hätte aufhalten können. Dies war seine Chance, vielleicht die letzte, und er hätte töricht sein müssen, um es nicht wenigstens zu versuchen.

Vierundzwanzigstes Kapitel
    Das Land wurde kahl und felsig, als der Wagen mit Claudia und Lord Saxton sich dem Westufer näherte, von dem aus der Verlauf der Solway-Mündung zu sehen war. Von Westen her peitschten nasse, kalte Winde die See. Ein Granitfels reckte sich hoch auf und stürzte dann in zerborstenen Abstufungen tief hinunter ins Meer, wo die schaumgekrönten Wogen sich tosend überschlugen. Vom Abgrund entfernt und halb im Schutz des Felsens verborgen kauerte die Ruine einer alten Burg wie ein verwundeter Hase auf dem kahlen Steinhang.
    Auf dieses verfallene Gemäuer hielten sie zu, der Wagen von Lord Saxton fuhr nur bis auf hundert Meter heran, um außerhalb der Schussweite einer normalen Muskete zu bleiben. Tanner lenkte den Wagen in einem Halbkreis, so daß er zur Flucht bereit war, sollte sie notwendig werden. Die Talbotkutsche fuhr kühn weiter, mühsam über die steile Auffahrt hinauf, und über den trockenen Burggraben auf einer aus zusammengetragenen Steinen und Planken errichteten Notbrücke. Ein Ruf zu ihrer Ankündigung erscholl, sobald die Kutsche in den

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