Eine Rose im Winter
räusperte sich, um sich bemerkbar zu machen. »Mein Name ist Irving … Mylady, und ich möchte gerne Ihre Bekanntschaft machen, Sie sehen ja so ganz gut aus.«
Erienne blickte sich nervös um und sah, wie der Mann und Haggard auf sie zukamen. Der andere mit dem Tablett war gerade dabei, seine Last auf dem Tisch abzustellen, als ihm auffiel, daß der Sitzende seine Knie bewegte. Der Mantel glitt zur Seite und gab den Blick auf allerlei Unterröcke frei. Der vermummte Kopf bewegte sich heftig. Neugierig geworden, wollte der Mann die Maske abnehmen. Er hörte nicht, daß sich ihm jemand von hinten näherte. Ein kräftiger Schlag von Christophers Stock auf seinen Hinterkopf ließ seine Welt im Dunkel versinken. Bevor er vollkommen in sich zusammenfiel, wurde er nach hinten in den Abort gezogen.
Eriennes Blick wanderte von dem lüsternen Wachposten zu Haggard. Sie versuchte wenigstens den Anschein eines ermunternden Lächelns auf ihr Gesicht zu zaubern, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Ein fast unhörbares Geräusch ließ Irving jedoch über die Schulter sehen, und er konnte beobachten, wie die Stiefel seines Gefährten in dem Verschlag verschwanden.
»Eh! Was gibt's denn da?« fragte er und griff nach seiner Pistole, als er sich umwandte. Als Haggard sich ebenfalls umblickte, packte Erienne blitzschnell eine abgebrochene Stuhllehne, die in der Nähe lag. Sie mußte sich plötzlich entscheiden, auf wen sie zuerst schlagen sollte, doch da Haggard näher stand, wählte sie ihn als Opfer. Sie hob die Holzkeule, um sie mit voller Kraft auf Haggards dicken Schädel niedersausen zu lassen. Zu ihrem Erstaunen hob er seine eigene Waffe und hieb mit dem Pistolengriff hart auf Irvings Schädel. Der sank zu Boden, als ob man aus seinem großen Körper die Luft herausgelassen hätte. Haggard sah Erienne grinsend an, die ihn entgeistert anblickte. Mit einem schnellen Griff nahm er dem Mann die Pistole aus der Hand und warf sie Christopher zu, der aus dem Verschlag hervortrat.
»Wie viele?« fragte Christopher, während er die Ladung prüfte.
»Drei sind unten. Parker ist wahrscheinlich mit den anderen in der Unterkunft.«
Als ihr Mann neben sie trat, gewann Erienne ihre Fassung wieder. Indem er sie vorstellte, brachte er etwas Licht in die Verwirrung. »Falls Sie ihm nicht schon zuvor begegnet sein sollten, meine Liebe, das ist Haggard Bentworth, der Diener meines Bruders, obwohl ihn als solchen nie einer kennen gelernt hat. Und ganz gewiß ein sehr treuer Diener.«
»Sehr erfreut«, erwiderte Erienne mit feuchten Augen und reichte ihm die Hand. Er schüttelte sie und nickte ein paar Mal.
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits, M'am, tut mir leid, daß ich Ihnen das nicht früher sagen konnte.« Er sah Christopher an und zuckte kurz resigniert mit den Schultern. »Ich konnte mich auch nicht davonmachen, Mylord, um Ihnen zu sagen, wo man sie hingebracht hatte«, erklärte er. »Sie haben mir nicht getraut.«
»Vielleicht ist dein Herz für ihren Geschmack nicht schwarz genug.« Christopher lächelte und wies dann zur Tür. »Vielleicht sollten wir noch einen hier heraufholen, damit wir dann gleich stark sind.«
Haggard zog dem Bewußtlosen die Weste aus und gab sie Christopher, der sie schnell anlegte. Zusammen packten sie Irving und warfen ihn neben seinen Spießgesellen in den Abortverschlag. Christopher warnte Claudia aufs neue und bezog dann wieder seine Position neben der Türe, während Erienne zum Fenster zurückkehrte. Vom Treppenabsatz rief Haggard hinunter: »Eh, hört mal her, ihr da unten, Miß Talbot wünscht noch etwas Wein zu ihrem Essen. Bringt mal 'ne Flasche von dem, den wir für den Lord zur Seite gestellt haben.«
Haggard stellte sich neben den Tisch. Nach einer Weile hörte man schwere Fußtritte auf der Treppe. Ein stämmiges Raubein wartete an der Tür und streckte seinen Arm mit der Flasche aus. Er machte keine Anstalten einzutreten, bis Haggard mit dem Kopf auf die Frau im karmesinroten Kleid wies.
»Mylady will mit dir sprechen.«
Der Mann schob sich den Hut aus der Stirn und spähte mißtrauisch in den Raum. »Wo sind Irving und Bates?«
Haggard machte eine nachlässige Handbewegung in Richtung auf Christopher, der dicht an die Wand gepresst neben der Tür stand. »Da ist der Mann, den du suchst.«
Da er niemand sehen konnte, trat der dicke Kerl in den Raum ein. Sein Kopf schlug nach hinten, als eine kräftige Faust in seinem Gesicht landete. Zur Sicherheit schlug ihm Christopher noch mit
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