Eine Rose im Winter
unten und lief in einer scharfen Kurve fast in der gleichen Richtung wieder zurück, Sokrates rutschte, konnte sich aber noch hallen und warf sich in wilder Verzweiflung um die Kurve, wo er in vollem Tempo in eine Meute bellender und wild durcheinander springender Hunde geriet, die der heißen Spur einer Hirschkuh folgten. Sie hatten schon Blut gerochen und schnappten nach den blitzenden Hufen, als das erschrockene Pferd in die Höhe ging und zurückwich. Die Zügel entglitten Eriennes Hand, und in letzter Verzweiflung griff sie mit beiden Händen in dieMähne und kämpfte darum, sich im Sattel zu halten. Ein Hund hatte die Blutspur wieder aufgenommen und mit dem warmen, feuchten Geschmack in seinem Maul war alles weitere entschieden. Während das Pferd, in wilder Aufregung davonsprengte, warf der Hund seinen Kopf zurück und ließ ein Jagdgebell ertönen. Sofort setzte die Meute an, die neue Beute zu verfolgen und raste den Pfad entlang hinterher.
Der Weg bog winklig ab und führte über einen schnell fließenden Bach. Es war nur das offene Bett des Stromes zu sehen, und ohne Führung schwenkte das Pferd ein, um ihm zu folgen. Es bahnte sich seinen Weg in dem steinigen Bett gegen die Strömung und ließ das Wasser zu beiden Seiten weit aufspritzen. Sie schrie, um es zum Stehen zu bringen, und versuchte schließlich seinen Kopf zur Seite zu drehen, als sie vor ihnen einen Hügel entdeckte, über den der Strom in schäumender Selbstaufgabe hinunterstürzte. An der ersten Strömungsschwelle ging der Wallach in die Knie, und Erienne kämpfte darum, sich im Sattel zu halten. Schließlich sprang Sokrates auf und versuchte das felsige Strombett emporzuklettern. Er rutschte aus, stolperte nach hinten und suchte vergeblich mit seinen Vorderhufen einen Halt, bevor er sich fallend überschlug.
Eriennes Entsetzensschrei verstummte abrupt, als sie auf das steinige Ufer auftraf. Ihr Kopf schlug gegen einen moosbedeckten Stein, und ein blitzartiger Schmerz zuckte durch ihr Gehirn. Langsam verebbte die Helligkeit, und ein immer dunkler werdender Schleier fiel herab. Sie sah die dunklen Umrisse des Baumes über ihr, verschwommen und ungenau wie durch eine Wand von Wasser. Während sie gegen die dunklen Schatten der Ohnmacht ankämpfte, rollte sie sich zur Seite und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Plötzlich wurde sie vom Wasser weggerissen. Sie warf sich auf das kalte Ufer und kämpfte gegen die Strömung, die sie noch tiefer hineinzuziehen schien, während ihre Beine in dem eiskalt dahinschießenden Strom immer gefühlloser wurden.
Das Bellen hatte sich in einen kläffenden Höllenlärm verwandelt, und am Ende des Abhangs konnte sie ein Durcheinander von rollendem Weiß und Braun sehen. Sie wußte, daß die Meute ganz in ihrer Nähe war. Einer kam näher, knurrend und schnappend, und in ihrer Verzweiflung gelang Erienne noch ein schwacher Schlag mit der Reitpeitsche, die ihre Faust umklammerte. Der Hund jaulte und sprang getroffen davon. Ein anderer versuchte es und bekam den gleichen Empfang, doch Eriennes Arme waren erschöpft, ihre Sicht wurde undeutlich. Der Schmerz in ihrem Hinterkopf breitete sich an ihrem Genick hinunter und über ihre Schultern aus. Er zog an allen Nervenenden, wodurch ihre Widerstandskraft und ihre Willenskraft sich immer mehr abschwächte. Die Hunde schienen ihre Erschöpfung zu wittern und kamen aufgeregt immer näher. Erienne mühte sich verzweifelt, ihre klare Sicht wiederzugewinnen und bewegte die Reitpeitsche nur noch schwach vor ihrer Brust.
Die Hunde sahen vor sich ein waidwundes Lebewesen, und die Hitze der Jagd machte sie immer toller. Sie knurrten sich an und schnappten nach den anderen, um Mut für den tödlichen Angriff zu sammeln. Erienne rutschte und glitt tiefer in das Wasser, dessen eisige Kälte ihr fast den Atem stocken ließ. Die nasse Kälte kroch durch ihr Mieder, während ihr Unterkörper schon ganz gefühllos wurde. Noch einmal schlug sie mit der Gerte zu, doch ihre Kräfte schwanden zusehends, und obwohl sie einen Hund, der zu nahe gekommen war, am Hinterteil getroffen hatte, wußte sie, daß es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie sie überwältigten.
Plötzlich schnitt ein scharfer Befehl durch die Luft, gefolgt vom Knallen einer Peitsche. Das klappernde Schlagen von Hufen war am Stromlauf zu hören, und ein langbeiniges schwarzes Pferd tauchte schnei! auf, das große Wassermassen um sich herum aufstieben ließ. Sein Reiter schlug mit der Peitsche zu, als
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