Eine Sacerda auf Abwegen
blauen Dunst dann langsam aus,
wobei sie seinem Blick überlegend auswich.
„Ich weiß es nicht…“ Juno lachte leise auf, obwohl ihr gar nicht nach Lachen
zumute war. „Pia Nicolasa hat mir einen Besuch abgestattet, wir sind ja nun
beinahe Nachbarn… Sie hat mich wissen lassen, dass Sidonie in Betracht zieht,
das Amt der Nuntia hier in den Staaten anzunehmen. Sie könnte für die neue
Riege tätig werden… Das kann alles so einfach sein, nicht wahr?“
Juno drückte die halb gerauchte Zigarette mit mehr Druck als nötig im
bereitstehenden Aschenbecher aus und legte die Zigarettenspitze dann zur Seite.
Sie wusste auch nicht, warum sie so angestochen auf diese Neuigkeit reagiert
hatte. Sie sollte froh sein, dass Sidonie es im Leben leichter als sie hatte.
Sie war eben eine echte Sacerda, der die Herzen und Sympathien nur so zuflogen
und sie nahm das mit offenen Armen an.
„Einfach
bestimmt nicht. Nur sehr wenige Immaculate wissen zu schätzen, was du für
unsere Rasse leistest, Juno. Wenn deine Tochter diese Fähigkeit in diesem Sinne
einsetzen möchte, dann nur weil sie durch dich davon erfahren hat, oder nicht?
Ich vergesse niemals, was du für Ula getan hast. Wenn es mehr wie dich gäbe,
dann kann das nur gut für uns sein. Wäre es so unerträglich für dich, Sidonie
in die Aufgaben einzuweihen und darin auszubilden?“
Juno zuckte mit den Schultern und antwortete ihm nicht direkt. Allerdings
wusste er, dass er sie mit seinem Argument erreicht haben würde. Er kannte die
andere Seite an ihr, weil seine kleine Schwester ihm sehr nahe stand und sich
ihm schließlich auch anvertraut hatte.
„Ich denke,
es wird Zeit, Urien… Du musst noch deinen Flieger kriegen.“, sagte sie
schließlich, als er zu Ende geraucht hatte. Sie winkte ab, als er die Rechnung
übernehmen wollte und legte selbst den entsprechenden Betrag auf die
bereitliegende Schale. Das war schließlich kein Date, auf das sie ein Galan
ausgeführt hatte.
Schweigend verließen sie den Club über den Haupteingang, so dass sie schließlich
vor der Fontäne im Foyer des Eagle Buildings zum Stehen kamen.
„Bringen wir
es hinter uns.“, murmelte Juno und griff in den Kragen ihres Pullovers, um den
Anhänger herauszufischen und auf ihre Brust fallen zu lassen.
Urien schien
peinlich berührt, griff aber nach ihrer schmalen Hand, um sie mit seinen weit
größeren Pranken zu umfassen, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Nach
einigen Momenten gab er sie schließlich frei. Der Anhänger hatte nicht so
reagiert, wie sich Manasses das wahrscheinlich erhofft hatte. Urien wusste
gerade nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Er wäre gerne
derjenige gewesen, der Juno ins Leben zurückführte. Sie verdiente es einfach.
„Meinst du,
dass Manasses einen filmischen Beweis dafür verlangen wird?“, fragte Juno
trocken und überraschte Urien damit, der über den kleinen Scherz einfach lachen
musste. Es war eigentlich nicht so weit hergeholt, sein Anführer war höchst
schwierig zufrieden zu stellen. Urien schüttelte den Kopf und tippte Junos
Gesicht am Kinn zu sich hoch.
„Etwas ist
mit dir anders als sonst, Juno. Ich finde es gut. Du solltest doch den Kontakt
zu deiner Tochter suchen. Versuch es wenigstens. Sie kann davon nur
profitieren. Besuch uns bald in Irland, Ula möchte dir die Pläne für ihre
Verbindungszeremonie gern selbst haarklein erzählen. Pass gut auf dich auf.“
Spontan beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie brüderlich auf die Wange,
auch wenn es nach außen hin natürlich nicht so wirkte.
Juno zuckte
nicht einmal zusammen, sie ließ es einfach geschehen, weil sie sicher sein
konnte, dass es keine Auswirkungen haben würde, die sie nicht wollte. Sie
schlang ihre Arme um ihren Oberkörper und sah Urien mit einem müden Lächeln
nach, der mit ausholenden Schritten auf den Ausgang zueilte. Manasses konnte
ihr ganze Legionen von möglichen Kandidaten auf den Hals hetzen… Es würde
niemals der Richtige unter ihnen sein. Ihr wurde mit einem Mal klar, dass
sie tatsächlich frei war. Das Lächeln erstarb auf ihren Lippen und machte dafür
einem Ausdruck purer Verzweiflung Platz. Diese Gewissheit hatte sie über Jahre
über die dunkelsten Stunden gerettet, nachdem sie den Skarabäus bei Bertrand
zurückgelassen hatte. Und nun?
Warum hatte sie das Gefühl, etwas Unwiederbringliches verloren zu haben? Freiheit
musste eben teuer bezahlt werden.
° ° °
Erneut fand sich Chadh auf sich allein gestellt und relativ
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