Eine Sacerda auf Abwegen
neben einem nervösen Flattern in ihrer Magengrube einen nie
gekannten Frieden in sich, auch wenn ihr lieber gewesen wäre, Chadh wäre auch
noch am Morgen nach dem Aufwachen an ihrer Seite gewesen. Sie vermisste ihn
jetzt schon, als wären sie bereits durch den Atlantik voneinander getrennt.
Oder viel eher von der Tatsache, dass er für sie telefonisch nicht erreichbar und
gerade bei der Arbeit war.
Am liebsten hätte sie Chadh davon abgehalten, seiner Tätigkeit in den Docks
weiter nachzugehen, weil er sie nicht mehr nötig haben würde, wenn es nach ihr
gehen sollte. Allerdings wollte sie ihn damit nicht überrumpeln, weil sie ihn
nicht in seinem Stolz verletzen wollte. Zudem konnte es ja sein, dass ihn die
körperliche Tätigkeit beruhigte und ausglich. Es war schließlich nichts dabei,
sich ein bisschen die Hände schmutzig zu machen, das tat sie auch, wenn sie
draußen in ihrem Leuchtturm wohnte und sie tat es gern, auch wenn sie früher
ein ziemliches Prinzesschen gewesen war, dessen größte Tragödie ein
abgebrochener Fingernagel dargestellt hatte.
Juno bedachte ihre schmale Hand mit einem spöttischen Lächeln, deren Nägel zwar
penibel poliert aber dafür praktisch kurz gehalten waren. Sie fand es schade,
dass niemals Spuren ihrer handwerklichen Tätigkeiten darauf zurückblieben, weil
die kleinen Kratzer und Schwielen natürlich heilten, auch wenn sie etwas
unterernährt war. Nein, nicht mehr.
Als Sidonie
begleitet von einem Schwall kalter Herbstluft die schummrige Bar schließlich
betrat, war es, als wäre die Luft im Raum plötzlich elektrisch aufgeladen
worden. Ihre goldenen Haare, die sie etwas kürzer als sie selbst trug, fielen
offen auf ihre Schultern, die Wangen waren mit einem rosigen Hauch überzogen
und ihre Augen blitzten vor lauter unterdrückten Gefühlen. Sie trug ein
royalblaues Kleid aus anschmiegsamem Stoff und nahm gerade den dunkelgrauen
Mantel mit dem Pelzkragen ab, den sie mit einem dankbaren Lächeln an einen
herbei geeilten Kellner weiterreichte, der ihr wie ein hypnotisiertes Kaninchen
hinterher starrte.
Juno kam es vor, als hätte man ihr eben einen Dolch ins Herz gerammt. Die
Ähnlichkeit zwischen ihnen war nicht zu verleugnen. Und die Farbe des Kleides
erinnerte sie nur zu deutlich an die Nacht, als sie Bertrand angesprochen
hatte, sie hatte oft auch Blau getragen. Sidonie hatte einen herausragenden
Geschmack, was die Auswahl ihrer Garderobe betraf und sie trug sie mit einer
Selbstverständlichkeit, als wäre ihr die äußere Erscheinung vollkommen
gleichgültig. Eine typische Französin eben.
Juno hob die Hand, als sich ihre Blicke kreuzten und Sidonie steuerte den Tisch
in einer diskreten Nische mit einem beinahe tänzelnden Schritt an, ohne auf die
Blicke zu achten, die ihr folgten.
„Guten
Abend…“, begann sie zögernd und das Lächeln auf ihren Lippen verblasste ein
wenig.
„ Ich
denke, wir sollten uns bei den Vornamen nennen, Sidonie .“, antwortete Juno
auf Französisch, weil es ihr einfach als die passendere Sprache für diese
Unterhaltung erschien.
Sid nahm Platz und orderte ein Ginger Ale bei der Bedienung, so dass Juno daran
erinnert wurde, dass Sidonie in anderen Umständen war. Das Getränk half gegen aufkommende
Attacken von Übelkeit, daran konnte sie sich erinnern.
„Sie… Du
wirst verstehen, dass mich deine Einladung ziemlich überrascht hat… Ich dachte,
es gäbe zwischen uns nichts mehr zu besprechen.“, begann Sidonie schließlich,
nachdem sie an ihrem Getränk genippt hatte.
Juno selbst hatte natürlich etwas Härteres vor sich stehen, das besser gegen
den eisigen Klumpen in ihrem Magen helfen würde als süße Limonade.
„Ich denke,
diese Entscheidung gebührt allein dir… Es war nicht richtig von mir, so abweisend
zu reagieren, aber… Ich lasse mich ungern von Männern in die Ecke drängen, wie
gut ihre Absichten auch sein mögen. Malcolm Lancaster hat mich angegriffen, ich
habe mich nur auf meine Weise gewehrt. Wir beide sind uns vollkommen fremd, ich
wollte eigentlich, dass es so bleibt. Ja, du hast das Recht, wütend und
verletzt zu sein. Das hatte ich damals auch… Ich war neunzehn und habe
vielleicht falsch entschieden aber nicht in der Absicht, dir zu schaden. Ich
hatte nichts zu geben und das gilt für heute genauso. Oder kannst du mir in die
Augen sehen und behaupten, darin wirklich deine Mutter zu erkennen?“
Juno drückte ihre Zigarette aus, die sie achtlos vor sich hin hatte glimmen
lassen. Es war unhöflich, zu rauchen,
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