Eine Sacerda auf Abwegen
überprüfen, obwohl
der leere Ausdruck in ihren weit aufgerissenen Augen schon alles sagte.
Der Schlag gegen die Schläfe traf sie unvermittelt und so hart, dass sie einige
Meter zur Seite flog und ihre Waffe ihr aus den Händen glitt. Mit einem
raubtierhaften Lächeln auf den Lippen kam er auf sie zu und maß sie mit seinem
teuflischen Blick, der in Juno all die erlebten Schrecken aufsteigen ließ. Noch
bevor sie auch nur einen weiteren Ton in der Kehle formen konnte, wurde sie um
den Hals gepackt und vom Boden gehoben, bis ihre Füße ihn nicht mehr berührten.
Er zog sie zu sich heran und leckte ihr mit seiner widerlichen Zunge gierig
über die Lippen, weil aus ihrer Nase Blut geflossen war, dem er nicht
widerstehen konnte.
„JUNO!“
Sie riss ihre Augen weit auf, als sie die Stimme erkannte. Sidonie musste ihr
gefolgt sein! Juno keuchte hilflos im Griff des Mannes gefangen, dessen Gesicht
schon vor ihren Augen zu verschwimmen begann, weil sie drohte, das Bewusstsein
zu verlieren, wenn sie nicht bald wieder Luft bekam.
In Gedanken stieß sie einen durchdringenden Hilfeschrei aus, doch die Warnung
würde Sidonie wohl kaum erreichen. Nicht Sidonie! Nicht ihre Tochter!
Mit einem letzten Aufbäumen ihrer Kräfte wehrte sie sich nach Leibeskräften
gegen ihren Angreifer, wenn auch nur um ihn von dem weiteren Opfer abzulenken,
das ihm nicht in die Hände fallen sollte.
“SIDONIE,
VERSCHWINDE!” Malcolm materialisierte sich direkt vor seine Soulmate, so dass
sie in ihn hineinlief, als sie den irren Versuch machte, ihrer Mutter zu Hilfe
eilen zu wollen. Er war ihr zu diesem Treffen mit Juno gefolgt. Aus gutem
Grund, denn es war für ihn nicht gerade selbstverständlich, dass die Nuntia mit
einem Mal und ohne besondere Vorkommnisse auf schön Wetter machen wollte. Seine
Worte mochten kaum den Ausschlag gegeben haben. Dazu hatte sie sich im Castle
zu deutlich ausgedrückt.
“LAUF!”,
forderte er ein weiteres Mal nicht eben freundlich. Dabei zog er das Schwert
aus dem Mantel, das er aus irgendeinem Grund, der ihm erst jetzt klar vor Augen
stand, mitgenommen hatte. Auf Juno und den Aryaner zustürmend machte er den
Fehler, sich noch einmal zu Sid umzudrehen, die immer noch zur Salzsäule
erstarrt an Ort und Stelle stand, wo sie in ihn hinein gelaufen war.
“LA…” Malcolm verstummte in derselben Sekunde , in der Sid entsetzt seinen Namen schrie . Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Der Dolch, den man Juno
abgenommen hatte, steckte bis zum Anschlag in seiner linken Seite, heftete
Mantel und Pullover mit der Haut zusammen. Blut quoll hervor und tränkte in
Kürze den Stoff und das Leder, so dass etwas von der nach Lorbeerblatt
riechenden Flüssigkeit auf den Erdboden tropfte.
“Irgendetwas
stinkt hier.” Der Aryaner, der sich nicht einen Moment von dem Enforcer hatte
überraschen lassen, schnaubte verächtlich beim Geruch des für ihn ungenießbaren
Blutes. Juno lag fortgeschleudert wie eine Puppe ohnmächtig zu Füßen eines
Baumes. Der Gesang der Sirene war vorerst verstummt. Sid selbst würde erst nach
ihrer Umwandlung so mächtig sein, dass sie mehr als nur ein bisschen Verwirrung
stiften konnte. Das war die Chance des Lords, den man noch nicht als solchen
erkannt hatte. Hart griff er in Malcolms Haar und bog seinen Kopf genauso weit
nach hinten, wie er es zuvor mit Juno gemacht hatte. Malcolms Kehle spannte
sich so sehr, dass er nicht einmal mehr schlucken konnte, ohne brennenden
Schmerz zu spüren, der den in seiner Seite noch übertrumpfte.
Sein Schwert lag nutzlos vor ihm auf dem Boden. Selbst unter der größten
Anstrengung hätte er nicht danach greifen können. Dieser Aryaner war zu schnell
und zu mächtig. Er musste einer der höheren Gefolgsmänner von Rukh sein.
Malcolm atmete schwer und wieder und wieder machte er den verzweifelten
Versuch, sein Schwert zu erreichen. Und dann war das Gesicht seines Gegners
direkt über ihm. Malcolm konnte durch das Glühen seiner Augen gut ausmachen,
wer es war und die Entschlossenheit, Sid und ihre Mutter zu retten, wich
ebensolchem Entsetzen, das Sid in diesem Augenblick verspüren musste und Juno
verspürt hatte, als sie merkte, dass ihr ihre Tochter gefolgt war.
“Bran!”,
presste er kaum hörbar hervor. Dieses Gesicht würde er überall wiedererkennen.
Was machte der europäische Lord auf amerikanischem Boden? Wurden etwa die
Fronten auf Seiten der Aryaner geschlossen, um die Immaculates gezielt
anzugreifen? Es blieb ihm keine Zeit, darüber
Weitere Kostenlose Bücher