Eine Sacerda auf Abwegen
schon so lange empfand, wenigstens ein bisschen eindämmen sollten. Essen
hatte schon lange jeglichen Reiz für sie verloren und sie nahm das nötige
Plasma nur zu sich, weil sie sonst nicht fähig sein würde, sich zu verteidigen.
Sie würde nie wieder das Blut eines Immaculate über ihre Kehle rinnen lassen.
Die Sophora sprach immer noch kein Wort, doch ein kurzer Seitenblick genügte,
um zu sehen, dass sie nicht gelogen hatte. Sie schien Bilder gesehen zu haben,
die Juno mit aller Macht aus ihren Träumen verdrängt hatte. Wieso
ausgerechnet sie? Keine der Frauen, die ihr Manasses auf den Hals gehetzt
hatte, hatte eine Antwort gefunden. Sie erfüllte ihre Aufgaben, warum konnte
man sie nicht endlich in Ruhe lassen. Nicht einmal in Frieden sterben hatte sie
dürfen.
Juno biss die Zähne fest zusammen. Sie fühlte sich erneut bedrängt und sie
hasste dieses Gefühl, keine Bestimmung mehr über ihre Leben zu haben. Diese
Freiheit war das einzige, was sie für sich selbst verlangte und Manasses hatte
sie ihr versprochen, weil er wusste, dass sie ihre Drohung irgendwann wahr
machen würde. Lebensmüdigkeit war ein unerträglicher Zustand, wenn man noch
eine Ewigkeit vor sich hatte.
Juno hatte
jedoch kaum den Mund geöffnet, als Pia Nicolasa ein leises „Nein!“ aussprach.
Sie spürte vermutlich, dass ihre Kehle bald den betörenden Gesang der Sacerda
ausstoßen würde. Dieses Mal rebellierte sie jedoch gegen den Befehl. Sie konnte
kaum einen ganzen Satz formulieren, da traf sie eine blendende Helligkeit, die
so intensiv war, als schienen plötzlich drei Sonnen in dieses Zimmer hinein. Es
war in jedem Fall genug, um ihr die Kehle trocken werden zu lassen und ihre
Stimme zum Verstummen zu bringen, da sie kaum genug Plasma trank, um sich mit
einer solchen Macht anzulegen, die nicht von dieser Welt schien.
Blass und fassungslos maß Juno das Mädchen, das weiterhin ruhig auf ihrem Stuhl
saß und ihre Tasse zum Mund führte, als wäre gar nichts weiter geschehen.
Malcolm
bemerkte in seinem eigenen Zorn nicht einmal, wie sich in Juno etwas
zusammenbraute, das ihn wieder um den Verstand bringen würde. Er war so wütend
und aufgebracht über diese Frau, die hier neben ihm und Nico saß und einfach
nicht von ihrem hohen Ross herunter kam. Zudem blendete ihn zusätzlich die
Sorge, die er um Sid ausstand, die noch nicht wieder aufgetaucht war und genau
wegen eben jenem Verhalten von Juno geflüchtet war. Das Licht aus Nico kam
vollkommen überraschend. Geblendet hielt er sich rasch eine Hand vor die Augen
und blinzelte hinterher so, als hätte er in einem höchst ungünstigen Moment
direkt in das gleißende Blitzlicht einer Kamera gesehen.
“Pia Nicolasa?!”
Damit hatte er nicht gerechnet. Viel eher, dass auch sie noch einmal versuchte,
Juno verbal zur Vernunft zu bringen. Kind des Lichts war also wörtlich
zu nehmen. Er beneidete Nico um ihre zur Schau gestellte stoische Ruhe.
„Entschuldige
bitte, Malcolm. Ich wollte nur verhindern, dass deine Mühen, ein Gespräch in
Gang zu bringen, sich in Luft auflösen.“, erklärte die Sophora mit ruhiger
Stimme, ohne sie in ihre Entschuldigung mit einzuschließen. Juno hatte das auch
nicht erwartet, man hatte ihr gerade symbolisch auf die Finger geklopft.
„Welchen Sinn
sollte das haben, Pia Nicolasa? Sie behaupten doch, Dinge zu sehen… Wenn dem so
ist, dann bin ich vollkommen überflüssig.“
Juno schob das Kinn eigensinnig nach vorne, ohne dem Blick des Enforcers
auszuweichen und konnte deshalb nicht sehen, wie die Sophora betroffen zusammen
zuckte, da die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter, die beide einen
ziemlich starken Willen besaßen, nun deutlich hervortrat.
„Ich werde
für Sie sprechen, Juno, wenn es keinen anderen Ausweg geben sollte. Ich weiß
alles… Es strömt wie ein blutiger Quell aus ihnen heraus, selbst wenn sie das
nicht wollen und andere es bisher nicht gesehen haben. Es liegt an meiner
besonderen Verbindung zu Baal… Ich bin keine Sacerda , aber ähnlich wie
diese Frauen von ihm auserwählt worden. Sidonie ist eine Schwester im Geiste
und auch Sie, Juno.“
Und endlich
bekam Juno den Mund auf. Wenngleich schon wieder mit Worten, die Malcolm dazu
brachten, sie erneut fassungslos anzustarren und am liebsten mit der Faust auf
den Tisch zu hauen. Sie war so unglaublich verstockt und bissig, dass er sie zu
gern zu Verstand geschüttelt hätte. Nicos Worte verpassten ihm allerdings einen
starken Dämpfer. Das, was sie da andeutete, verhieß
Weitere Kostenlose Bücher