Eine Sacerda auf Abwegen
benutzen.
„Ich dachte, Sacerdas wären frei in ihrer Wahl. Niemand könnte es schaffen, sie
anzubinden…?“
Juno ließ die
Hände schließlich sinken, um sich aus der gebückten Haltung zu erheben und
drehte sich mit dem Rücken zum Kamin, wo sie sich an dessen Einfassung lehnte
und die Arme schützend vor der Brust verschränkte. Es war, als würde sie
unbewusst die Haltung ihrer Tochter einnehmen. Sie sah sie nämlich gar nicht
an, da sie den Blick gesenkt hielt. Es herrschte blaue Leere darin, da sie in
diesen Augenblicken die Vergangenheit erneut durchlebte und sich beinahe darin
verlor. Im Hier und Jetzt gab es nichts, das ihr Halt bieten könnte.
„Wenn es sich für dich so erfüllt hat… Ich hatte keine Wahl. Ist das alles
überhaupt noch wichtig?“
“Sid!”
Sogleich stand Malcolm auf, um zu ihr zu eilen und sie in die Arme zu
schließen. Sie hatte mitbekommen, was Juno in ihrer eisigen Art gesagt hatte
und war den Tränen nahe. Malcolm hoffte, ihr durch seine Nähe wenigstens ein
bisschen Geborgenheit vermitteln zu können, die sie eigentlich gern bei ihrer
Mutter gefunden hätte.
Juno war ihr eine Antwort schuldig. Was auch immer ihr in der Vergangenheit
passiert war, würde doch keineswegs schlimm genug sein, ihre Tochter erneut
stehen zu lassen. Im Grunde ihres Herzens musste Juno eine ziemlich einsame und
unglückliche Frau sein, wenn sie nur noch zu solch abweisenden, gleichgültigen
Reaktionen fähig war. Sie tat Malcolm leid, jedoch nicht genug, um sie nicht
ein letztes Mal zu bedrängen.
“Warum
überlassen Sie Sidonie nicht die Entscheidung darüber, was wichtig ist und was
nicht? -Ich denke, dass sind Sie ihr nach all den Jahren schuldig, Juno. Nutzen
Sie die Gelegenheit und stellen Sie die Dinge klar. Ihnen muss doch bewusst sein,
wie Ihr Verschwinden all die Jahre auf Bertrand und Ihre Tochter gewirkt haben
muss. Und dann auch noch das Vortäuschen Ihres Todes. War das nötig?- Wenn Sie
diesen Schlussstrich wirklich hätten ziehen wollen, dann wären Sie nicht nach
Amerika gegangen. Dann wären Sie dort geblieben, wo Sie heute leben. Sid ist
Ihnen nicht egal und das, was geschehen ist, auch nicht. -Warum sind Sie nicht
wenigstens einmal ehrlich? Ihrer Tochter zuliebe.”
Er war ja da, um Sid aufzufangen, sollte sich Junos Geschichte als besonders
schmerzhaft oder grausam herausstellen. Ihr würde nichts passieren. Bei Juno
selbst war er sich allerdings nicht sicher, wenn sie sich bereit erklärte,
erneut ihre Vergangenheit zu durchleben, aber daran konnte er nur wenig ändern.
Junos Augen verdunkelten
sich, während sie das Paar in der innigen Umarmung beobachtete. Sidonie umwehte
ein Hauch ihres Duftes, weil sie sich so sehr aufregte. Magnolien vermischt mit
einem Hauch Lorbeer. Sie waren also miteinander verbunden. Die Sacerda hatte
gewählt. Aus freien Stücken.
Sie selbst duftete nach Immortelle, einer italienischen Strohblume ( Quelle
ironie... Unsterblich war sie ja nun wirklich ). Alle Priesterinnen des Baal
dufteten nach Blumen sowie sie alle über dieses besondere goldblonde Haar
verfügten und über die bezaubernde Stimme. Die Inkarnation von sehnsuchtsvollen
Männerträumen.
Juno warf der Sophora einen prüfenden Seitenblick zu, die hatte ihren Platz
jedoch nicht verlassen und trank in ruhigen Schlucken ihren Tee. Sie hatte
nicht erwartet, in der jungen Frau eine solche Konzentration von Macht zu
finden. Zudem war sie selbst irgendwie mit Baal verbunden. Manasses würde sich wahrscheinlich
von und zu schreiben, wenn er ihrer habhaft werden könnte. Die Europäer hatten
ja gerade erst eine ihrer Seherinnen verloren, für die vermutlich jede Hilfe zu
spät kommen würde.
Sie empfand kein Mitleid mit der Immaculate, die einst eine große Kriegerin
gewesen war und somit über die tödlichen Gefahren Bescheid wusste, die in einer
großen Stadt auf sie lauerten.
Sie hatte
das nicht gewusst…
„ Comme
vous voulez… “, gab Juno schließlich nach, weil es keinen Unterschied machen
würde, ob sie sprach oder Pia Nicolasa. Die Sophora würde am Ende nur
übertreiben und das würde sie in keinem Fall zulassen.
„ J’ était une fois une simple gamine de la Bretagne... Avec
le rêve d’ étudier dans la grande Sorbonne! J’ y suis allée à l’age de dixneuf
ans... 1981 *.“ Juno sprach den ersten Satz mit Absicht auf Französisch, das
mit dem dunklen Akzent eingefärbt war, der typisch für die Bretagne war. Sie
war schließlich an den Ort zurückgekehrt, den sie in ihrem
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