Eine Sacerda auf Abwegen
einem
schweigsamen Austausch. Er musste noch lernen, rücksichtsvoller zu sein. Das
und noch viel mehr, um ihr ein guter Gefährte zu sein, bei dem sie lernen würde,
sich auf ihn verlassen zu können. Egal, wie dunkel es um sie herum auch sein
mochte.
Plötzlich glühte die Luft an einem kleinen Punkt über Junos Kopf hinweg. Die
letzten Strahlen der Sonne reflektierten sich in sternförmigem Licht auf dem
Käfer, den Chadh kurzerhand in einem geschickten weiten Wurf über die Brüstung
warf. Fort. Fort von ihm. Weg von Juno. Damit sie endlich eine Entscheidung
treffen konnte, die von nichts und niemandem beeinflusst wurde. Einer
Sternschnuppe gleich mit goldenem Schweif versank das Schmuckstück in den
Tiefen der Gärten unterhalb des Balkons. Man würde ihn irgendwann wiederfinden.
Chadh hoffte jedoch nicht so bald. Das Ding hatte ihnen Ärger genug bereitet.
Juno schien
entsetzt. Sah sich aber gleich direkt mit Chadh konfrontiert, der sich vor sie
hinkniete, ihre Hände in seine nahm, den Kopf schief legte und sie wieder mit
dieser Mischung aus Ernsthaftigkeit gepaart mit Trotz und Bewunderung für sie
ansah. Wäre er gut mit Worten gewesen und hätte das, was er in diesem Augenblick
fühlte, auch nur annähernd in solche fassen können, wäre er aus dem Reden wohl
eine Weile nicht mehr herausgekommen. Einen Käfer ohne Verstand darüber
urteilen zu lassen, ob sie einander zugetan waren oder nicht, befremdete ihn
einfach. Wenn man seine Sympathien für jemanden von einem Symbol abhängig
machte, konnte doch nichts anderes daraus entstehen als Ungewissheit und
Furcht.
Dabei gab es kein richtig oder falsch. Nur seine Unwissenheit und ihre Angst.
Sie beide würden mit der Zeit lernen, darüber zu stehen und hinweg zu kommen.
Juno würde ihn lehren, was er wissen musste, um in ihrer Welt zu überleben und
sie schützen zu können. Selbst wenn es eine ganze Weile dauern würde. Chadh zog
sie zu sich in seine Arme und umschlang sie fest. Sie würde ohne ein Wort von
ihm wissen, was er für sie fühlte. Sein Herz, das er verloren geglaubt hatte,
schlug gesund und kräftig nur für sie. Er würde nicht sterben und auch nicht
gehen. Nicht solange sie seine Gegenwart ertrug und um sich haben wollte. Das
Orakel hatte ihn nach seinen Plänen gefragt. Jetzt hatte er einen. Er würde bei
Juno bleiben. Der Rest blieb ihr überlassen. Sie kannte sich viel besser aus
und hatte sicher eine Menge Ideen, mit denen man die gemeinsame Ewigkeit
gestalten konnte.
Juno war es
gewohnt, ihre Stimme als Waffe einzusetzen, genauso ihr Schweigen, das eisig
bis ins Mark gefrierend wirken konnte, wenn man dem Zuhörer urplötzlich die
Quelle der Verzückung entzog. Friedvolles Schweigen hatte sie nur gekannt, wenn
sie sich allein in ihren Leuchtturm zurückgezogen hatte. Und obwohl sie Chadhs
Arme sicher umschlossen, fühlte sie ein nie gekanntes Freiheitsgefühl in sich
aufsteigen.
Hoffnung. Unsicherheit. Liebe. Geborgenheit.
Ihre Wange an seine stacheligen Haare geschmiegt genoss sie die Stille, die
hier draußen herrschte und verdrängte den Gedanken an den Skarabäus, den Chadh
so überaus effektvoll aber auch übereilt davon geworfen hatte. Er gehörte ihr
ja nun gar nicht mehr, denn er hatte seinen Zweck erfüllt. Sie musste ihn
suchen lassen, um ihn an die rechtmäßige Besitzerin zu übergeben, der er
hoffentlich mehr Glück als ihr bringen würde.
Nein, das war missverständlich formuliert, denn ohne ihn hätte sie Chadh kaum
gefunden. Die nächste Generation sollte ihn nur nicht als Belastung empfinden,
denn sein Sinn war im Grunde wohlmeinend.
Als es an der Tür klopfte, löste sich Juno überrascht aus seinen Armen und
streckte ihre Sinne aus, um zu erspüren, ob nicht Manasses einen ungünstigen
Moment zur Aussprache gewählt hatte. Immerhin hatte sie Chadhs Eifersucht nicht
zerstreut, aber nur weil sie absolut jeglicher Grundlage entbehrte, was er sehr
schnell einsehen würde, wenn ihr Vorgesetzter sich an der Seite von Mina Harker
zeigen würde. Eine Lost Soul, die eine Ausnahmestellung in der Gesellschaft der
Immaculate einnahm. Juno konnte ihren Mut nur bewundern, Manasses sein
Verhalten verziehen zu haben, obwohl man gegen die Verbindung der Seelen eben
nicht ankam. Selbst ein Krieger hatte es nicht geschafft, sich dieser
Gesetzmäßigkeit zu entziehen.
„Warte einen
Augenblick… Ich will nur nachsehen, wer das ist.“
Juno reagierte beim wiederholten Klopfen und ging öffnen, um sich mit einer
etwas atemlosen Sidonie
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