Eine Schwester zum Glück
in die Augen. »Echt, echt, echt.«
Doch manchmal ist eine völlig angemessene Erklärung einfach nicht gut genug.
»Es tut mir leid«, sagte ich noch einmal. Und ich er kannte, dass ich dem im Grunde nichts hinzufügen konnte, es sei denn, ich wollte ihr anbieten, wieder bei ihr einzuziehen und ihr zu helfen.
»Wir müssen wohl einfach akzeptieren, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind«, erklärte Mackie schließlich.
Und ich sagte: »Okay.«
Da ertönte ein Geräusch von draußen vor dem Zelt.
»Was ist das?«, fragte Mackie.
»Das ist ein Nachrichtenhubschrauber.« Es war nicht der erste.
Ich öffnete den Reißverschluss des Zeltes.
»Wohin gehst du?«
»Tja, ich muss so viel wie möglich aus den Medien herausholen.«
Mackie wirkte nervös. »Du wirst dich doch nicht nackt ausziehen oder etwas in der Richtung, oder?«
»Nein, nein«, sagte ich. »Nicht nackt.«
Doch Howard und ich hatten uns etwas Besonderes für die Presse einfallen lassen. Ich hatte gehofft, dass heute Abend ein Helikopter in diese Richtung kommen würde. Ich hatte ein pinkfarbenes T-Shirt mit dem Aufdruck KISS ME! an, und darunter trug ich ein Trägertop mit einem großen roten Herz. Ich kroch nach draußen und stellte mich so aufrecht in das Scheinwerferlicht, wie ich es nur wagte. Dann winkte ich dem Hubschrauber zu, schälte mich aus dem T-Shirt und schwang es über dem Kopf, bevor ich es vom Balkon schleuderte und den Reportern Kusshände zuwarf.
Ich habe noch nie im Leben etwas Derartiges getan. Doch für die Bibliothek der Liebe würde ich alles tun.
Mackie hatte aus dem Zelt heraus zugeschaut. »Du hast den Verstand verloren.«
Howard hingegen rief, nachdem er es in den Elfuhrnachrichten gesehen hatte, bei mir an und sagte, dass er mich liebte. »Wenn ich nicht schwul wäre, würde ich Ihnen einen Heiratsantrag machen.«
Woraufhin ich erwiderte: »Und wenn ich nicht hetero wäre, würde ich ihn annehmen.«
Als ich ins Zelt zurückkroch, sagte Mackie: »Du willst diese Bibliothek wirklich unbedingt retten, oder?«
Ich nickte. »Und wenn ich dafür einen gefakten Striptease hinlegen muss, dann tu ich’s.«
»Gibt es denn keine bessere Methode, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen?«, fragte Mackie. »Eine, bei der du nicht das komplett durchgeknallte Mädchen mimen musst?«
Doch ich zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich nicht.«
Sie hatte ein Scrabble-Spiel mitgebracht. Ohne viele weitere Worte bauten wir es auf und spielten drauflos. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sich unsere Bezie hung fast normal an. Nachdem ich mich vier Tage lang mit Vögeln, Flugzeugen und dem Wind unterhalten hatte, schien es gar nicht mehr so schwer zu sein, auch mit Mackie zu reden. Ich brabbelte ein bisschen drau f los, wie ich es früher stets getan hatte, und redete immer wieder über das Leben auf dem Dach. Und dann kam ich darauf zu sprechen, wie schön es war, dass Mackie mich besuchte, und fragte schließlich: »Ist es nicht der Wahnsinn von Dixie, dass sie heute Abend für dich babysittet?«
Und dann fing Mackie, meine Schwester, der es vor nur einer Minute noch prima zu gehen schien und die eben ei nen dreifachen Wortwert für Dekolleté eingesackt hatte und die nie, nie weinte, zu weinen an.
»Was ist denn?«, erkundigte ich mich.
Doch Mackie weinte einfach nur. Sie weinte so lange, dass ich schließlich gar nicht mehr auf eine Erklärung wartete, sondern sie einfach nur in meinen Schoß zog. Dort blieb sie, den Kopf auf meinem Bein, und ich strich ihr über die Haare. Ich musste auf keine Antwort drängen. Ich konnte ganz gut erraten, worum es sich handelte.
Nach einer Weile sagte Mackie: »Dixie ist nicht Mom.« Und dann fing sie wieder zu weinen an.
Ich durchkämmte Mackies Locken mit den Fingern und fragte: »Du vermisst Mom?«
Ganz leise, als hoffte Mackie, dass ich sie gar nicht hören würde, sagte sie: »Ich glaube einfach nicht, dass sie je zurückkommen wird.«
Es dauerte eine Weile, bis wir unsere Fassung wiedererlangten. Dann aßen wir eine Handvoll M&M ’s. Es war halb elf, und Mackie machte sich Sorgen, dass sie nach Hause gehen sollte, doch sie wollte eigentlich nicht. Wir beschlossen, die Scrabble-Steinchen alphabetisch zu sortieren, bevor sie ging, und während wir damit beschäftigt waren, sagte sie: »Die Babys sind klasse, aber, wow – sind die laut! Sie schreien die ganze Zeit. Ich glaube nicht, dass du sie haben wollen würdest.«
Dann dankte Mackie mir dafür, dass ich die
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