Eine skandalöse Braut
an, ehe sie ihre Tasse wieder zur Hand nahm und einen Schluck trank. »Ihr wollt mehr über Anna wissen?«
»Würde es Euch an meiner Stelle nicht ähnlich gehen?«
»Vielleicht. Also gut.« Sie zögerte. »Meine Schwägerin war noch sehr jung. Sehr schön und, wenn Ihr mich fragt, ein Freigeist. Darin ähnelt sie Euch ein bisschen, glaube ich.«
»Danke, Euer Gnaden.«
»Danken Sie mir nicht, Kind. Dieses Gespräch entwickelt sich überhaupt nicht in die Richtung, die ich erwartet habe.« Sie schnüffelte steif, wie um ihre Worte zu unterstreichen. »Ich habe mir eher vorgestellt, Euch damit vertraut zu machen, was es bedeutet, eine St. James zu sein. Auch wenn ich sie geliebt habe, war Anna nicht gerade ein Musterbeispiel einer jungen Lady.«
Zum ersten Mal lachte Amelia. Es war ein leiser, gedämpfter Laut. »Das habe ich auch nie vermutet, Euer Gnaden. Und Ihr braucht mir auch nicht zu sagen, welch großes Glück es ist, Alex zu haben.«
»Das war auch nicht exakt das, was ich sagen wollte«, erwiderte seine Großmutter ironisch. »Aber ich bin nicht sicher, ob die Mahnung, anständig zu sein, bei einer jungen Frau, die sich mit meinem leidenschaftlichen Taugenichts von Enkel vermählt hat, nicht ohnehin verschwendet wäre. Seine Hochzeit wird, egal mit wem er sich vermählt, für Gerede sorgen, besonders die Heirat mit Euch wird einen wahren Sturm lostreten. Man wird erwarten, dass bereits in acht Monaten Nachwuchs kommt. Ich hoffe, Ihr seid darauf vorberei-
tet.«
So eine freimütige Ansprache ließ Hitze in ihre Wangen steigen. Im Stillen musste Amelia der Duchess aber Recht geben. »Ob es Gerede gibt, ist mir egal. Ich werde meine Entscheidung nicht bereuen.«
»Exzellent. Vielleicht gebt Ihr doch noch eine vortreffliche St. James ab. Wir werden den Skandal einfach ignorieren.« Die Duchess hob trotzig das Kinn.
Wie schön, dass sie sicher sein konnte, von diesen Anschuldigungen nicht betroffen zu sein. Amelia ließ ihren Blick wieder über das Gemälde mit dem derzeitigen Duke und seiner Mutter schweifen. Wenn Alex und sie einen Sohn bekämen, hätte er auch das dunkle, schimmernde Haar seines Vaters? Oder wäre er so hell wie sie?
Ihr Blick verengte sich eine Winzigkeit. Jetzt erst bemerkte sie, warum sie von dem Gemälde so fasziniert war. Wenn sie es näher betrachtete, war der Hintergrund nicht so gewöhnlich wie auf anderen Gemälden. Das, was sie für Wald gehalten hatte, zeigte Gesichter in der knorrigen Rinde, und die Schatten der beiden Personen warfen fantastische Figuren auf den getrimmten Rasen.
Der außergewöhnliche Stil war ihr sehr vertraut. »Euer Gnaden … Darf ich Euch fragen, wer dieses Porträt gemalt hat?«
Dieser abrupte Themenwechsel ließ die Duchess mitten in der Bewegung erstarren. Die zarte Tasse verharrte in ihrer blau geäderten Hand.
Oder wechselte sie überhaupt das Thema?
Die dunkelhaarige Meerjungfrau … die schöne Halskette …
Amelia stellte ihre Tasse beiseite. »Es ist ein Simeon, nicht wahr?«
Die ältere Frau neigte den Kopf um eine Winzigkeit.
»Hat er damals auch Anna gemalt?«
»Ich glaube, es würde nichts bringen, es noch länger zu leugnen«, erwiderte die Duchess schwermütig.
27
»Was ist denn hier los?« Sophia schaute sich sichtlich verwirrt in ihrem Salon um. Der Blumenduft, der schwer in der Luft hing, war fast betäubend. Vasen mit Rosen standen auf jeder ebenen Fläche, einige sogar auf dem Fußboden. Alle Farben waren vertreten, vom tiefsten Dunkelrot bis zum hellen Elfenbein war alles vorhanden. Sie sank neben einem Bouquet aus herrlich rosafarbenen Blüten auf einen Sessel. Der Anblick überwältigte sie.
»Es sind Blumen, Mylady.«
Sie warf ihrem Butler einen ungehaltenen Blick zu. »Das sehe ich auch, Hastings. Aber wo kommen die alle her?«
»Es gibt keine Kärtchen, sonst hätte ich sie natürlich für Euch gesammelt und bereitgelegt. Jedenfalls habt Ihr gerade einen Besucher.«
Richard. Eigentlich musste ihr niemand sagen, wer die Blumen geschickt hatte. Er hatte ihr zwar noch nie zuvor Blumen geschickt, aber Richard wusste, dass Rosen ihre Lieblingsblumen waren; auch Alex St. James hatte Amelias Schwäche für Lilien entdeckt.
Wenn Gentlemen sich anstrengten, konnten sie tatsächlich sehr bezaubernd sein.
»Bringen Sie Sir Richard bitte herein.« Plötzlich wünschte sie, nicht in dieses brave Kleid aus federleichtem Musselin gekleidet zu sein. Aber das neue, knallorange Kleid hatte sie leider erst vor Kurzem beim
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