Eine skandalöse Braut
Ausweg.«
Da sie diesen Vorschlag sehr ruhig vorbrachte, schnellten seine Augenbrauen hoch. »Als Amelia mir erzählte, Ihr wärt eine freiheitsliebende Frau, hat sie offenbar nicht übertrieben. Wollt Ihr etwa vorschlagen, wir sollen durchbrennen?«
Tue ich das? Sie wusste, ihr Schwager würde Alex St. James nicht mit offenen Armen in der Familie willkommen heißen. »Hathaway wird schwer zu überzeugen sein.«
»Ich brauche seine Erlaubnis zur Heirat nicht; aber mein Vater wird über meine Pläne auch nicht glücklich sein.« St. James zögerte, ehe er frei heraus fragte: »Versteht Ihr, warum zwischen den beiden diese Feindseligkeit herrscht? Ich weiß von der Affäre zwischen dem alten Earl und meiner Großtante. Er war verheiratet, ruinierte sie und erregte damit bei der ganzen Gesellschaft Anstoß. Aber damals war weder mein Vater noch der jetzige Earl direkt betroffen, oder? Ich hege doch gegen Amelia auch keinen Groll wegen etwas, das ihr Vater vor Jahren getan hat.«
»Das ist wohl ziemlich offensichtlich, Mylord«, erwiderte Sophia trocken.
Er verzog den Mund, seine Miene war aber auf bezaubernde Weise reumütig. »Seid versichert, dass ich die Ereignisse dieser Nacht nicht so geplant habe.«
Obwohl er mit dem halb offenen Hemd und ohne seinen Mantel ganz wie ein junger, ehrloser Wüstling aussah, glaubte Sophia ihm. »Amelia hat schon immer genau gewusst, was sie will. Ich fürchte, diesen Wesenszug hat sie von ihrer Mutter geerbt.«
»Das begreife ich dann mal als Warnung.«
»Das solltet Ihr auch. Was Euren Vater und Hathaway betrifft, solltet Ihr vielleicht bedenken, dass Euer Großvater Amelias Großvater getötet hat. Da ist es egal, ob er provoziert wurde oder nicht. Es ist für niemanden leicht, so eine bittere Pille zu schlucken. Eure Familie fühlt sich durch die Affäre verraten, und die Pattons sind verbittert, weil auch sie einen Verlust erlitten haben.«
»Das ist wirklich ein vertracktes Problem«, gab er zu. »Ich glaube, ich weiß, warum das Duell erst nach ihrem Tod stattfand. Es ist möglich, dass Anna sich das Leben nahm.«
Das ergab Sinn. Es war eine schmerzliche Erkenntnis, aber das änderte nichts an den Tatsachen. Ein trauernder Bruder, der bereits durch die Affäre beleidigt worden war, hätte durchaus den Mann fordern können, der das Leben seiner Schwester zerstört hatte. »Wie tragisch«, murmelte Sophia ehrlich bestürzt. »Ist es das, wonach Ihr sucht? Ein Beweis für ihren Selbstmord?«
»Nein. Ich suche nach einem Schlüssel. In einem silbernen Kästchen.«
Sie begegnete seinem fragenden Blick und schüttelte den Kopf. »Ich habe so etwas noch nie hier gesehen, aber Ihr solltet bedenken, ich bin nur zu Besuch.«
»Amelia hat ihn schon gesucht und nicht gefunden.« Er rieb sich sichtlich frustriert das Kinn. »Aber er könnte irgendwo versteckt sein.«
Sophia blickte zu der Standuhr in der Zimmerecke. Der Brandy hatte seinen Zweck erfüllt, und es war schon schrecklich spät. Sie stand auf. »Ich vermute, Ihr wünscht, dieses Zimmer zu durchsuchen. Deshalb seid Ihr noch einmal hergekommen. Wenn Ihr fertig seid, erwarte ich von Euch, dass Ihr so diskret verschwindet, wie Ihr gekommen seid, um ihren guten Ruf zu wahren.«
Er wirkte sichtlich amüsiert. »Ich werde mein Bestes geben, Lady McCay.«
17
John stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken und jagte im Galopp den Hügel hinab. Alex folgte ihm dichtauf. Als er eingetroffen war, hatte sein Bruder sich gerade zum Ausritt fertiggemacht, und es schien Alex eine gute Gelegenheit, allein mit ihm zu reden. Der herrlich sonnige Nachmittag war bestens dafür geeignet. Er hoffte, sie suchten sich später einen abgeschiedenen Ort, um ein Gespräch unter vier Augen zu führen.
»Zu der alten Ruine?«, rief John über die Schulter. »Du hast gesagt, es sei eine Privatangelegenheit. Da man sich ja erzählt, dort gingen Geister um, treibt sich dort nie jemand herum.«
»Klingt gut«, rief Alex. Sein Pferd war ein neues Tier aus den herzoglichen Ställen, da sein eigenes Pferd nach dem Ritt hierher erschöpft war. Schnell stellte er fest, wie wenig es der Braune mochte, wenn er mit harter Hand angefasst wurde. Der ausgelassene Dreijährige tänzelte seitwärts, als sie die Pferde zügelten, er warf temperamentvoll den Kopf.
Die alte Abtei war schon seit Jahrhunderten verlassen. Die Gewölbepfeiler, die sich einst hoch in den Himmel erhoben hatten, waren zusammengefallen. Das Skelett der Wände zerbröckelte
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