Eine skandalöse Braut
zugeknöpft.
Plötzlich war der kleine Stoffhaufen auf dem Fußboden kein Geheimnis mehr für sie. Schließlich hatte Sophia die beiden schon einmal Arm in Arm erwischt, und im Übrigen war sie es auch gewesen, die vorgeschlagen hatte, herzukommen, falls St. James sich entschied, dem Anwesen einen Besuch abzustatten. Sie räusperte sich. »Guten Abend, Mylord. Oder sollte ich lieber einen guten Morgen wünschen?«
»Lady McCay.« Er verbeugte sich. Die elegante, höfliche Verbeugung stand im Widerspruch zu seinem halb angezogenen Zustand. »Warum bin ich nicht überrascht, Euch hier anzutreffen? Lasst mich diese Frage selbst beantworten. Verirrte Ladys scheinen in letzter Zeit aufzutauchen, wo ich gehe und stehe. Besonders dann, wenn ich versuche, heimlich vorzugehen.«
»Ich konnte nicht schlafen.« Sophia war nicht sicher, warum sie sich verteidigte. Wenn man einmal davon absah, dass er sie in flagranti mit einem Glas Brandy ertappt hatte. Letztlich hatte sie ein Recht, hier zu sein, während er ein Eindringling war. Obwohl sie ernstlich bezweifelte, ob ihr langweiliger Schwager es guthieß, wenn sie aus seinem Arbeitszimmer Alkohol stibitzte.
Alexander St. James lächelte. »Ich finde, ein kleines Schlückchen vor dem Schlafengehen wirkt Wunder«, bemerkte er trocken.
»Wo ist Amelia?«
»Sie schläft.«
Sie schläft. Er stand barfuß und mit offenem Hemd vor ihr. Er hatte das Haus nicht so betreten, dessen war sie gewiss. Zwar hatte sie sich gewünscht, dass Amelia die Gelegenheit bekam, mit ihrem Liebsten zu reden, doch sie hatte irgendwie den Eindruck, es habe mehr stattgefunden als bloß ein Gespräch.
Mein Gott.
» Macht es Euch etwas aus, wenn ich mich zu Euch geselle?« Er nickte zur Karaffe.
»Ich vermute, unter diesen Umständen ist ein ordentlicher Schluck durchaus angebracht.« Sie stellte ihr Glas ab und schenkte ihm eins ein, das sie ihm überreichte. »Ich verstehe das so: Ihr habt Amelia hier vorgefunden und wurdet von Eurem ursprünglichen Plan abgelenkt?«
»Sie kann mich tatsächlich leicht ablenken.« Er nahm den Cognacschwenker entgegen, trank einen ordentlichen Schluck und betrachtete sie fragend. »Ihr scheint bemerkenswert unberührt zu sein. Weder mein Auftauchen noch die Situation scheint Euch sonderlich zu schockieren, Mylady.«
»Ein Mann, der unvollständig bekleidet ist und weiß, dass meine Nichte schläft, lässt wohl kaum andere Schlüsse zu.«
»Ich hingegen gebe zu, dass mich das alles sehr schockiert«, erwiderte er trocken.
»Als Ihr und ich uns zuletzt unterhielten, wusste ich nicht, wie groß die Zuneigung meiner Nichte bereits war.« Erst jetzt merkte Sophia, dass sie noch stand. Damit verbot es sich für ihn, sich hinzusetzen. Selbst dann, wenn er bloß die Stiefel anziehen wollte. Sie entschied sich für einen der Sessel vor dem Kamin und sank hinein. Sie nippte unverfroren an ihrem Brandy. »Was Euer Auftauchen hier betrifft, war es Amelia, die zu dem Schluss kam, dass einige Eurer Fragen, die Ihr über das Anwesen gestellt habt, zu gezielt waren. Ich warne Euch, Mylord. Sie ist vielleicht jung, und ihre Schönheit ist so berückend, dass nur wenige Männer von ihr unberührt bleiben. Aber sie ist kein Dummkopf. Ihr habt ihr selbst in London erzählt, ihr Vater besitze etwas, das Euch gehört. Und da Ihr es nicht in London gefunden habt, war es nur logisch, dass Ihr herkommt.«
»Dass irgendetwas an dieser Geschichte für irgendjemanden Sinn ergibt, überrascht mich.« St. James setzte sich in den Sessel ihr gegenüber, stellte sein Glas auf ein kleines, schlichtes Tischchen und zog seine Stiefel an. »Ich wurde geschickt, um in einer merkwürdigen Angelegenheit zu helfen, ich suche nach einem Gegenstand, von dem man mir versicherte, er sei höchst wichtig. Aber er ist ungefähr so leicht zu finden wie eine Stecknadel im Heuhaufen. Und statt tatsächlich nach diesem flüchtigen Ding zu suchen, bin ich plötzlich verlobt und werde bald heiraten.«
Verlobt? Das klang vielversprechend, zumal recht leicht zu erkennen war, dass eine gewisse Eile durchaus geboten war. Sophias Laune hob sich spürbar. Sie trank gut gelaunt den Brandy aus und verschluckte sich ein wenig an einem großen letzten Schluck. Sie musste sich räuspern. Ihr Vorschlag, nach Cambridgeshire zu reisen, hatte sich als hervorragende Idee erwiesen. »Meine Glückwünsche.«
»Wir wissen beide, dass Lord Hathaway nicht besonders erfreut sein wird.«
»Es gibt immer noch Schottland als
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