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Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)

Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)

Titel: Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Wildes
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Köpfen, und die Wände waren feucht und modrig und rochen unangenehm. Da empfand sie seine warme Hand als echte Beruhigung. Und als Versprechen, dass er sie sicher aus diesen Verliesen herausführen würde. Zumindest milderte das schwache, flackernde Licht der Lampe die Dunkelheit ringsum.
    Lily atmete zittrig ein und überlegte kurz, einfach die Augen zu schließen. Keine gute Idee, befand sie jedoch schnell, denn sie wollte es nicht riskieren, auf den engen, steilen und dazu glitschigen Stufen auszurutschen und zu stürzen. Das fehlte gerade noch. Deshalb konzentrierte sie sich einfach auf seinen breiten Rücken und folgte ihm die Treppe hinunter. Er hatte recht gehabt, was den Dreck und den Staub betraf. Ständig berührte sie eine Wand, und ständig blieben irgendwelche Spinnweben an ihr hängen. Sie hielt ihr Kleid und sein gefaltetes Jackett eng an ihren Körper gepresst. Sie wollte, sie musste das hier schaffen.
    Enge Wände, der modrige Geruch, die Dunkelheit …
    » Es wird eine Weile dauern, bis sie die Tür zur Bibliothek geöffnet haben«, sagte Damien. Seine Stimme hallte von den Wänden wider. »Bis dahin sind wir längst wieder im Ballsaal.«
    »Aber vorher sollten wir uns sorgfältig von den Spinnweben in Gesicht und Haaren befreien«, meinte Lily kleinlaut und hoffte bloß, dass sie allein aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe weniger abbekam als er. Zudem war sie hinter seinem Rücken wenigstens einigermaßen geschützt. Inzwischen sah sie – wenngleich widerwillig – ein, dass sein Vorschlag, das Kleid auszuziehen, goldrichtig gewesen war. Sie erkannte es daran, dass sein weißes Hemd bereits Schmutzspuren aufwies. Was vor allem daran lag, dass er mit seinen breiten Schultern fast zwangsläufig an den Wänden entlangstreifte.
    Der Griff um ihre Hand verstärkte sich. »Habt Ihr Angst?«
    Hatte sie? Irgendwie schon, aber zumindest nicht in dem befürchteten Ausmaß. Seine Nähe wirkte eindeutig beruhigend, seine Gelassenheit färbte auf sie ab, und seine Sicherheit vermittelte ihr die Zuversicht, dass alles gut ausgehen würde.
    »Ich versuche nicht darüber nachzudenken, Mylord.«
    »Das ist meistens die beste Vorgehensweise. Ich stelle mir in schwierigen Situationen gerne vor, auf dem Anwesen meiner Familie in Essex, also in einer vertrauten Umgebung zu sein. Rolthven hat einen großen Park, und der Fluss, in dem ich als Junge immer geschwommen bin, ist breit und fließt träge dahin.«
    »Habt Ihr ebenfalls Probleme mit engen Räumen?« Sie konnte kaum ihre Überraschung verbergen.
    »Ich musste mich unzählige Male in solchen Umgebungen zurechtfinden, und ich gebe zu, dass es immer unangenehme Erlebnisse waren.« Seine Stimme klang verbittert, was ihr trotz ihrer eigenen Zwangslage nicht entging.
    »Während des Krieges?«
    »Verzeiht, Lady Lillian, aber ich beantworte Fragen wie diese grundsätzlich nicht. Die Vergangenheit hat für mich keine Bedeutung mehr.«
    Für sie schon, dachte sie, denn sonst würde sie jetzt nicht in diesem modrigen Gang herumkriechen. Und sie wäre auch nicht halb nackt und hielte nicht die Hand eines Fremden umklammert, dem sie gerade erst begegnet war. Die Vergangenheit spielte sehr wohl eine Rolle, nur fiel es den Männern aufgrund ihrer Privilegien leichter, diese Tatsache zu ignorieren. Bei ihnen galt das Prinzip vergeben und vergessen. Frauen hingegen wurde nur schwer verziehen – ihnen hielt man einen Fehler ewig vor.
    Es war eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, dass Frauen mit anderen Maßstäben beurteilt wurden als Männer. Na ja, eigentlich kein Wunder, denn die Männer waren es schließlich, die diese Regeln geschaffen hatten. Weil sie sich züchtige Ehefrauen und zügellose Mätressen wünschten. Sie kontrollierten die Welt und waren doch unfähig, ein weinendes Kind zu trösten. Kümmerten sich oft mit mehr Sorgfalt um ihre wertvollen Pferde als um ihre Familie …
    Mit einem Wort, Lily hatte keine allzu hohe Meinung von den Herren der Schöpfung.
    Ihren Vater allerdings hatte sie über alles geliebt. Und auch ihr Bruder Jonathan, der jetzige Earl of Augustine, stellte in ihren Augen eine Ausnahme dar. Vermutlich weil er, ähnlich wie seine Schwester, nicht allzu viel von gesellschaftlichen Konventionen hielt und eine glückliche Ehe ohne Doppelmoral führte. Trotz allen Verständnisses und trotz aller fortschrittlichen Ansichten würde er jedoch unter keinen Umständen billigen, was seine Schwester gerade tat: sich leicht bekleidet mit

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