Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
Vorliebe für Männer habt Ihr erst entdeckt, als Ihr mit ihm durchgebrannt seid.«
Bei dieser krassen Formulierung fühlte sie sich sofort wieder in jene Nacht zurückversetzt und erinnerte sich bis ins kleinste Detail an diese Flucht. An den windigen Abend in der holpernden Kutsche und an Arthurs angestrengte Miene. Als sie abends Halt machten, verspürte sie ein Zögern, bevor er zwei Zimmer reservierte. Dass sie nie in einem Raum geschlafen hatten, war ein Detail, das die Gesellschaft nicht zur Kenntnis nahm.
»Nicht so, wie Ihr jetzt denkt.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schlug die Augen nieder. Sie kämpfte mit sich, wusste nicht, wie sie ihm das verdeutlichen sollte. Denn sie wünschte sich mit einem Mal, ihm alles zu offenbaren, was damals tatsächlich passierte. »Er hat nie versucht, mich zu verführen – mich nicht einmal geküsst. Unerfahren wie ich war, dachte ich, er sei eben ein perfekter Gentleman. Als er mich dann überredete, auf eine lange Verlobungszeit zu verzichten, glaubte ich …« Sie spürte, wie ihr sengende Hitze ins Gesicht stieg, weil dieses Geständnis zu intim schien. »Ich dachte, er wollte einfach nicht länger auf mich warten. Mein Vater hatte unserer Verbindung bereits seinen Segen erteilt, und ich fand den Gedanken, mit ihm durchzubrennen, unheimlich romantisch. In Wahrheit war ich wohl nur hoffnungslos naiv.«
Zu ihrer Erleichterung besaß Damien so viel Taktgefühl, darauf nichts zu erwidern.
»Und dann hat er es mir erzählt. Er klopfte an der Tür meines Zimmers, und als ich ihm öffnete, war er so bleich, dass ich fürchtete, er sei plötzlich krank geworden. Er kam herein, kniete vor mir auf dem Boden und flehte mich an, dass ich ihm verzeihen möge, aber er könne das mit der Hochzeit nicht durchziehen. Zwar liebe er mich wirklich sehr, aber nicht so, wie er es eigentlich sollte – das könne er wegen seiner … Neigung nicht. Und weil ich ihm so viel bedeute, wolle er mich nicht in eine Ehe zwingen, in der ich um den Ehemann betrogen würde.«
»Zu schade, dass er darüber nicht nachgedacht hat, ehe er Euch überredete, mit ihm nach Schottland durchzubrennen.« Damiens Stimme klang eisig.
Sie strich mit der Hand über ihr Nachthemd. Eine fahrige Bewegung, denn die Erinnerung wühlte alles wieder auf. »Ich glaube, er hatte sich selbst als Entschuldigung zurechtgelegt, dass er mir Freundschaft, Sicherheit und ein privilegiertes Leben bieten könnte. Aber dann meldete sich wohl sein Gewissen – wobei er die Entscheidung mir überließ. Ob ich eine Ehe unter diesen Vorzeichen noch wünschte oder ob er mich zurück nach London bringen sollte.« Sie atmete tief durch. »Ich habe mich bekanntlich für Letzteres entschieden. Obwohl ich wusste, was das für mich bedeutete. Trotzdem war es mir lieber als das andere.«
»Diese Entscheidung passt zu Euch, und das meine ich als Kompliment, Mylady.«
»Danke.« Sie schaute ihn an. »Das klingt vielleicht lächerlich – aber ich bewundere ihn noch heute, weil er mir die Wahrheit gesagt hat.«
»Warum hat er denn später geheiratet?«
»Er wünschte sich einen Erben. Außerdem war die Beziehung eine andere, eher so etwas wie ein Geschäft. Liebe spielte dabei keine Rolle. Seinem Wunsch nach einem Sohn entsprach ihr Streben nach einem Titel. Insofern hatte er nicht das Gefühl, sie zu betrügen. Von seiner Neigung allerdings ahnt sie offenbar ebenfalls nichts.«
»Ihr verteidigt ihn noch immer.« Er hob ironisch eine Braue. »Darf ich vielleicht anmerken, dass ich nach der Szene, deren Zeuge ich in der Oper wurde, den Eindruck gewonnen habe, Lady Sebring könnte nicht nur den Titel begehren? Wie kommt Ihr darauf, dass sie nichts für ihn empfindet?«
Lily hatte schon so viel gesagt, dass sie gleich die ganze Geschichte erzählen konnte. »Sie ist verzweifelt, weil sie bisher nicht schwanger wurde. Und das macht sie vermutlich ungerecht.«
»Dann hat Sebring also einen Pakt mit dem Teufel unterschrieben, und jemand da draußen weiß von seinem Geheimnis. Er wurde erpresst, hat sich jedoch geweigert, mir die wahren Hintergründe zu nennen. Jetzt verstehe ich, warum es ihm so widerstrebte.«
Lily schaute ihn groß an. Ihr Gefühl, dass etwas Außergewöhnliches passiert sein musste, hatte also nicht getrogen. »Ist er in Gefahr?«
»Ich weiß es nicht genau, aber ich bin dankbar, dass Ihr mir die Wahrheit gesagt habt. Es ist schwierig, ohne konkrete Anhaltspunkte eine Spur zu verfolgen. Ihr habt wenigstens
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