Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
diese Erfahrung nicht ihr Selbstbewusstsein zu brechen vermocht hatte, dafür bewunderte er sie und zollte ihr Respekt. Nur: Was konnte er ihr bieten außer heißem Verlangen? In gewisser Hinsicht war diese Situation für ihn ebenso neu wie für sie. Er wusste nur, dass sie ihn vom ersten Moment an, als er den flüchtigen Geruch ihres Parfums in der Bibliothek bemerkte, in ihren Bann geschlagen hatte. Er war ihr erlegen.
Als er vor Jahren beobachtete, wie sich seine beiden Brüder hoffnungslos in ihre späteren Ehefrauen verliebten, fand er es sehr amüsant zu sehen, dass weder der eine noch der andere begriff, was genau da mit ihnen passierte. In diesem Augenblick nun, als er Lillian in seinen Armen hielt und sie seine Küsse mit schüchterner Begeisterung zu erwidern begann, drängte sich ihm unwillkürlich die Frage auf, was wohl ein unbeteiligter Beobachter über ihn denken würde.
»Sag mir eines«, murmelte er, als sie den Kuss unterbrachen und seine Lippen über ihre Wange wanderten. »Glaubst du an mein ernsthaftes Interesse, Mylady? Oder muss ich es dir anders beweisen?«
Sie antwortete nicht sofort. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und mit jedem ihrer raschen Atemzüge drückten sich ihre Brüste gegen seinen Brustkorb. Lange Wimpern flatterten. »Ich … ich weiß nicht, was du meinst.«
Das wusste er selbst nicht so genau. Inzwischen war er vollkommen hart und konnte sich nicht daran erinnern, in seinem bisherigen Leben eine Frau je so sehr gewollt zu haben wie sie. Vielleicht war es zudem allzu lange her, seit er sich die Zärtlichkeit eines Kusses oder einer sanften Berührung überhaupt gegönnt hatte …
Als Sohn eines Duke war er so erzogen worden, dass er sich nicht leichtfertig in eine Liaison stürzte, die unliebsame Konsequenzen nach sich ziehen konnte – einen wütenden Ehemann oder, noch schlimmer, einen erzürnten Vater. So etwas hatte er immer vermieden. Und da er zudem keinen Gefallen daran fand, für ein erotisches Abenteuer zu bezahlen, wie so viele Männer seines Standes es zu tun pflegten, war er in der Auswahl seiner Bettgefährtinnen sehr umsichtig vorgegangen. Erfahren und ungebunden hatten sie vor allem sein müssen.
Als er aus dem Krieg zurückkehrte, spürte er, dass ihn Affären, wie er sie früher gepflegt hatte, nicht mehr zu reizen vermochten. Auch nicht die jungen Mädchen, die ihre Mütter auf den Bällen wie Ware feilboten, und erst recht nicht Lebedamen wie die hartnäckige Lady Piedmont, die ihm mit eindeutigen Angeboten nachstellten.
Eigentlich hatte ihn keine gereizt. Bis jetzt.
Und was zum Teufel habe ich mit ihr vor?
Sein Verstand riet ihm das eine, seine schmerzenden Lenden das andere. Was sollte er ihr sagen? Er wusste es nicht, weil er nur an die perfekten Kurven ihres Körpers dachte, die er durch den dünnen Stoff ihres Nachthemds fühlte, und daran, was er so verdammt gerne mit ihr tun wollte. Nämlich genau das, was Sebring nicht getan hatte. Andererseits mochte er sie unter keinen Umständen kompromittieren, denn er betrachtete sich schließlich als ehrbaren Gentleman.
Heiraten. Das war ihm immer wie eine abstrakte Vorstellung vorgekommen – wie etwas, das ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft taten. Keine Männer, die sich für die Krone als Spione verdingten. Zwar hatte er seine Meinung bereits ein bisschen revidiert angesichts des glücklichen Familienlebens seiner Brüder, aber noch war ihm der Gedanke eher fremd.
Als sich das Schweigen zwischen ihnen in die Länge zog, schien Lily seine Unentschlossenheit zu spüren und versuchte, sich seiner Umarmung zu entziehen. »Ihr wisst jetzt, was Ihr wissen wolltet. Könnt Ihr bitte dafür sorgen, dass Euer Komplize mich wieder nach Hause bringt?«
»Lily.« Seine Arme hielten sie fest umschlossen, und er blickte in ihr Gesicht, das sie leicht von ihm abwandte. »Wende dich nicht von mir ab.«
»Wohin soll ich denn sonst schauen?« Sie legte die Handflächen auf seine Brust, und ihre Worte waren kaum hörbar. »Solange Ihr mir nicht etwas Ernsthaftes bieten könnt, habe ich kein Interesse.«
»Sag mir, was für dich etwas Ernsthaftes wäre.« Er beugte sich vor und knabberte an ihrem Ohrläppchen.
»Damien.« Sie erschauerte, und ein Teil ihres Widerstands schwand. Ihr Körper fühlte sich in seinen Armen schwach und hilflos an. »Tu mir das nicht an.«
Er könnte sie natürlich einfach nehmen, das wusste er. Wenn er sie jetzt hochhob und in sein Schlafgemach brachte – sie würde einwilligen
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